Operation Arche - 1
Skelettstruktur der PICAs entsprach dem menschlichen Skelett, doch ebenso wie die Muskeln war es ungleich leistungsstärker und robuster, und die Hohlknochen enthielten Molekular-Schaltungen und Energiekanäle. Und das MolyCirc-›Gehirn‹ eines PICA der letzten Generation (dort untergebracht, wo bei einem echten Menschen aus Fleisch und Blut die Leber lag) war fast halb so groß wie das ursprüngliche Protoplasma-Vorbild. Es musste so groß sein, denn auch wenn die ›Nerven‹-Impulse eines PICA tatsächlich mit Lichtgeschwindigkeit übertragen wurden – etwa einhundertmal schneller als die chemisch übermittelten Impulse im menschlichen Körper –, war es doch, um die Interkonnektivitäten des menschlichen Gehirns zu erreichen, erforderlich, das Gegenstück eines Datenbus zu bieten, der tatsächlich Billionen von Bits breit war.
Ein PICA konnte neural unmittelbar mit dem Individuum verbunden werden, für das er konstruiert wurde, doch die immense Bandbreite, die dabei erforderlich war, verhinderte, dass diese Verbindung über größere Distanzen hinweg funktionierte. Und die Verdrahtung eines jeden PICA machte es rein technisch unmöglich, dass sich jemals ein anderes Individuum als das ursprünglich vorgesehene damit verband. Das war eine aus rechtlichen Gründen erforderliche Voraussetzung, um sicherzustellen, dass niemand anderes einen PICA steuern konnte, da das jeweilige Individuum, das einen PICA einsetzte, rechtlich für jegliches Handeln des entsprechenden PICA verantwortlich war.
Letztendlich hatten die Fortschritte auf dem Gebiet der Kybernetik dazu geführt, dass man in der Lage war, in etwa die Kapazität des menschlichen Gehirns nachzuahmen. Natürlich geschah das nicht auf die gleiche Art und Weise. Allen Fortschritten zum Trotz konnte noch kein Computer, der jemals entwickelt worden war, die Interkonnektivitäten des menschlichen Hirns vollständig erreichen. Die Speicherkapazität eines Menschenhirns zu liefern, hatte für Molekular-Schaltungen keine große Herausforderung dargestellt; die ›Denkfähigkeit‹ zu erreichen, hatte die Entwicklung von CPUs erfordert, die mit verschiedenen Energiezuständen arbeiteten, sodass es dank reiner Rechen- und Verarbeitungsgeschwindigkeit letztendlich möglich geworden war, Denkprozesse zu simulieren. Das ›Gehirn‹ eines PICA mochte ja völlig anders gearteten Beschränkungen unterworfen sein als das eines Menschen, doch das Endergebnis war praktisch ununterscheidbar vom menschlichen Vorbild … auch von ›Innen‹ betrachtet.
Genau das hatte schließlich auch die Fernsteuerung eines PICA ermöglicht. Der Eigentümer eines PICA der letzten Generation konnte tatsächlich ein vollständiges elektronisches Analogon seiner Persönlichkeit und seiner Erinnerungen (die reine Datenspeicherung hatte schließlich noch nie ein ernst zu nehmendes Problem dargestellt) auf einen PICA übertragen, um sich damit dann in möglicherweise gefährlichen Umgebungen zu bewegen, die außerhalb der Übertragungsreichweite einer direkten Neuralverbindung lagen. Dieses Analogon konnte den PICA steuern, ohne dabei das Risiko einzugehen, dass der physische Körper des Eigentümers Schaden nahm, und wenn der PICA zurückkehrte, dann konnten dessen Erinnerungen und Erfahrungen ebenso als echte, persönliche Erinnerungen wieder auf den Eigentümer rückübertragen werden.
Als diese Möglichkeit entwickelt worden war, hatte es einige Bedenken gegeben: ob nicht vielleicht ›außer Kontrolle geratene‹ PICAs unter dem Einfluss von Persönlichkeits-Analoga, die sich weigerten gelöscht zu werden, Amok laufen würden. Nimue selbst hatte diese Bedenken immer nur als die nach wie vor existierende Paranoia empfunden, die Schriftsteller schon vor undenklichen Zeiten als ›Frankenstein-Komplex‹ beschrieben hatten, doch die öffentliche Meinung war nicht zu einem Umdenken zu bewegen. Deswegen wurde gesetzlich vorgeschrieben, dass jegliche heruntergeladene Persönlichkeit nach spätestens zweihundertvierzig Stunden automatisch gelöscht wurde – gemessen von dem Augenblick an, da der betreffende Wirts-PICA durch ein Analogon aktiviert worden war.
»Diese letzte Persönlichkeitsaufzeichnung, die du heruntergeladen hast, wurde angefertigt, als du noch diese Hängegleiter-Tour in den Anden geplant hast«, rief Commodore Peis Hologramm Nimue in Erinnerung. »Aber du hattest nie Zeit, tatsächlich auf diese Tour zu gehen, weil du, als Mitarbeiterin meines Stabes, für etwas eingeplant
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