Operation Arche - 1
Nichts auftauchte.
»Ich werde langsam ein wenig zu alt dafür, selbst mit Antigeron-Behandlung, noch bei längeren Erläuterungen stehen zu bleiben«, erklärte er ihr, »und ich fürchte, diese Erläuterung hier wird noch länger als die meisten bisherigen werden. Weiterhin fürchte ich, dass du nicht in der Lage sein wirst, dich zu bewegen, bis ich zu Ende gesprochen habe. Auch dafür bitte ich um Verzeihung, aber es ist unbedingt erforderlich, dass du dort bleibst, bis du mich vollständig angehört hast. Du musst die Gesamtsituation vollständig begreifen, bevor du irgendeine Entscheidung treffen oder irgendetwas unternehmen kannst.«
Mit wirbelnden Gedanken betrachtete sie seinen Gesichtsausdruck und war nicht überrascht, als sie feststellte, dass sie überhaupt nicht atmete. Das Digital-Display hatte sie davor bereits gewarnt.
»Wie du zweifellos schon geschlussfolgert hast, bis du in Wirklichkeit überhaupt nicht hier«, erklärte Commodore Peis Nachrichtenaufzeichnung ihr. »Oder, genauer gesagt: dein biologischer Körper ist es nicht. Aufgrund der Tatsache, dass du das einzige Mitglied dessen, was du wohl ›unsere Verschwörung‹ wirst nennen müssen, warst, das über einen PICA der letzten Generation verfügte, warst allein du für diesen besonderen … Einsatz geeignet.«
Hätte sie noch geatmet, hätte sie jetzt vor Überraschung vermutlich kurz damit aufgehört. Aber sie atmete nicht, weil sie, wie Pei gerade eben gesagt hatte, eigentlich überhaupt nicht lebte. Sie war ein PICA: ein Persönlichkeits-Integrierter CyberAvatar. Und, so sinnierte belustigt eine Stimme in ihrem Hinterkopf – wenn man überhaupt sagen konnte, dass sie noch einen Hinterkopf hatte –, sie war auch noch ein PI-CA-Spitzenmodell. Ein Geschenk von Nimue Albans geradezu unverschämt wohlhabendem Vater.
»Ich weiß, dass du dich an nichts von dem erinnern wirst, was ich dir jetzt erkläre«, fuhr der Commodore fort. »Du hattest nicht begriffen, dass es einen Grund dafür würde geben können, eine aktuelle Persönlichkeitsaufzeichnung herunterzuladen, kurz bevor wir an Bord gingen, und wir hatten nicht die Zeit, eine Aktualisierung durchzuführen, bevor du auf die Excalibur abkommandiert wurdest. Wir hätten sowieso nicht das Risiko eingehen dürfen, dass irgendjemand sich fragt, warum das geschähe, selbst wenn uns die Zeit geblieben wäre.«
Ihre Augen – die leistungsstärksten künstlichen Augen, die die Technologie der Föderation zu produzieren vermochte, und die auch detailgetreu die automatischen Reaktionen der menschlichen ›Wetware‹ nachahmten, ganz wie es ihre Aufgabe war – verengten sich wieder zu Schlitzen. Für die meisten Bürger der Föderation hatten PICAs einfach nur immens teures Spielzeug dargestellt; schon seit fast einem Jahrhundert vor den Geschehnissen vor Crestwell’s World waren sie in Mode gekommen, und als ›teures Spielzeug‹ hatte Daffyd Alban dieses Geschenk, das er seiner Tochter gemacht hatte, auch gesehen. Für andere, die unter ernstlichen Mobilitätsproblemen litten, die sich nicht einmal mit der modernsten Medizintechnologie der Föderation lösen ließen, stellten PICAs die ›ultimative Prothese‹ dar.
Im Prinzip war ein PICA ein hochentwickeltes Robo-Vehikel, das eigens dafür ausgelegt war, Menschen auch höchst gefährliche Dinge tun zu lassen, einschließlich diverser Extremsportarten, ohne sich dabei tatsächlich physisch in Gefahr zu bringen. Die PICAs der ersten Generation waren noch eindeutig als Maschinen zu erkennen; sie waren ästhetisch etwa so ansprechend wie die zweifellos nützlichen DienstRobots mit ihren zahlreichen tentakelartigen Gliedmaßen und ihrem ölfassartigen Rumpf, der auf einem KontraGrav-Kissen schwebte, die überall in der Föderation in der Abfallbeseitigung und dergleichen eingesetzt wurden. Doch die zweite und die dritte Generation dieser Geräte wurden immer weiter entwickelt, bis sie zu vollständig beweglichen, alle Sinneseindrücke übermittelnden, virtuellen Doppelgängern ihrer menschlichen Vorbilder geworden waren. Schließlich richtet sich die Form nach der Funktion, und ihr ganzer Sinn bestand darin, eben diesen menschlichen Vorbildern exakt die Erfahrungen zu ermöglichen, die sie hätten, würden sie diese leibhaftig erleben.
Zu diesem Zweck wurden die ›Muskeln‹ der PICAs aus modernsten Verbundwerkstoffen gefertigt, immens leistungsstark, und doch genauestens der natürlichen menschlichen Muskulatur nachempfunden. Die
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