Operation Beirut
Hafez der Löwe.»
«Was ist mit
la puissance occulte
?», fragte ihn Rogers.
«Darauf komme ich eben», sagte Amin. «Die Frage ist nämlich, wer die eigentliche Macht hinter Hafez dem Löwen ist. Ist es die syrisch-arabische Baath-Partei? Nein, natürlich nicht! Völlig absurd!» Er schnaubte verächtlich ob der Unsinnigkeit dieses Gedankens.
«Die wahre Macht steckt woanders, von geheimnisvollem Dunkel und von Betrug verschleiert: Assad ist ein Alawit, und die verborgene Macht hinter ihm ist der Stammesrat der Alawiten. Jeder Alawit wird Ihnen sagen, dass es nichts dergleichen gibt. In der arabischen Welt haben wir sogar ein Wort für die Lügen, mit denen wir solche Geheimnisse bewahren. Wir nennen sie
taqiyya
. Aber die Wahrheit sieht so aus: Assads Vater war ein Mitglied des Rates der Alawiten, und es war ebendieser Rat, der Hafez zum Führer der Alawiten und schließlich zum Präsidenten von Syrien wählte! Verstehen Sie?» Er sah den Amerikaner erwartungsvoll an.
«Fahren Sie fort», sagte Rogers.
«Ahaaa!», sagte Amin, hocherfreut, Publikum zu haben. «Als Nächstes nehmen Sie die Drusen. Jedermann nimmt an, dass Djumblatts Familie die Drusen regiert, nicht wahr? Aber das ist eine Illusion! Die wahre Macht ist nicht Kamal Djumblatt, sondern der Geheime Rat der drusischen Würdenträger, der ihn zum Führer gemacht hat. Dieser Rat, in dem neben anderen auch Scheich al-Aql sitzt, unterhält geheime Beziehungen mit den Drusen in Israel und Syrien. Auch das ist ein Beispiel von
la puissance occulte
.»
«Erzählen Sie mir mehr darüber», bat Rogers. Dieser kleine Derwisch von einem Mann faszinierte ihn von Minute zu Minute mehr.
«Aber gewiss», sagte Amin. «Nehmen Sie die Schiiten. Die Leute glauben, der mächtigste Schiiten-Führer der Welt sei der Schah von Persien. Warum auch nicht? Er ist der Schah der Schahs! Er hat Geld und Paläste und Panzer! Aber die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Der Schah regiert mit Billigung eines demütigen Mannes in Naif, der die höchste Autorität des schiitischen Islams darstellt. Er führt die Ajatollahs der Ulema an, des Religionsrates der Schiiten. Wenn es den Ajatollahs jemals einfallen würde, dem Schah Scherereien zu machen, dann pufff! Aus mit ihm! Fangen Sie an zu verstehen, was ich mit okkulter Macht meine?»
«Es fängt an zu dämmern», sagte Rogers. «Aber ich hätte doch gerne ein weiteres Beispiel. Wie ist das mit den libanesischen Christen? Wie sieht die verborgene Macht aus, die deren Entscheidungen lenkt?»
Ein Ausdruck des Unbehagens legte sich über Amins Gesicht. Rogers wünschte sofort, er hätte die Frage nicht gestellt. Die Hände des jungen Mannes bewegten sich nervös über die Tischplatte, und seine Blicke schnellten zwischen Rogers und Fares hin und her.
«Darüber kann ich nicht sprechen», sagte er und schüttelte den Kopf.
Das Treffen dauerte noch eine halbe Stunde, aber der junge Mann war argwöhnisch geworden. Rogers versuchte Zeit zu gewinnen, indem er ihm einfache Fragen stellte wie: Wo stammte er her? Wo war er zur Schule gegangen? Wo arbeitete er? Amin antwortete ihm höflich, aber vorsichtig. Als er seine zu Fäusten geballten Hände öffnete, waren die Handflächen schweißbedeckt.
«Für heute haben wir genug geplaudert», sagte Fares. Er schlug vor, sich in zwei Wochen ein weiteres Mal zu dritt zu treffen. Amins Kopfnicken war kaum wahrzunehmen.
Vor der nächsten Sitzung verbrachte Fares einige Stunden allein mit Amin. Er beruhigte ihn, zerstreute seine Befürchtungen, überredete ihn. Fares kam sich vor wie ein Arzt bei der Behandlung eines Patienten, der durch irgendein Ereignis ein solches Trauma erlitten hat, dass er nicht darüber sprechen kann. Zusammen trafen sie in der konspirativen Wohnung ein, der Doktor und sein Patient.
«Ich glaube, dass Amin heute bereit ist, uns etwas mehr über
la puissance occulte
zu erzählen», sagte Fares. «Hab ich nicht recht, Amin?» Der junge Libanese nickte.
«Erzählen Sie bitte unserem amerikanischen Freund etwas über die Organisation, der Sie in Ost-Beirut beigetreten sind.»
Sachte, sachte, dachte sich Rogers. Die Vorhänge waren geschlossen und die Lampen verhängt.
«Ja, ich werde Ihnen etwas über die Gruppe erzählen», sagte Amin. «Nicht alles, selbstverständlich, aber einiges.»
Rogers nickte, und der junge Mann begann.
«Der Name der Gruppe ist Al-Jabha. Der Name sollte eigentlich geheim bleiben.»
«Al-Jabha?», fragte Rogers.
«Ja», sagte Amin
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