Operation Beirut
Bureau zu sein. Er machte den Eindruck eines Intellektuellen: Ansatz zur Glatze; rauchte lieber Pfeife als die im Libanon allgegenwärtigen Zigaretten. Aber er war ein beinharter Agent. Seine gegenwärtige Aufgabe bestand darin, wie Rogers erfahren hatte, Agenten aus Milizkreisen und den geheimen Organisationen Ost-Beiruts anzuwerben.
Rogers entschloss sich, ein Treffen mit Fares zu vereinbaren. Er bat Elias Arslani, einen emeritierten Geschichtsprofessor, der an der Amerikanischen Universität Beirut Fares’ Mentor gewesen war, eine Zusammenkunft in seinem Landhaus in den Bergen in der Nähe von Jezzine, im südlichen Libanon, zu vereinbaren. Dr.Arslani war eine der Personen, an die sich die Amerikanische Botschaft wandte, wenn es darum ging, diskret Bekanntschaften zu vermitteln: ein Akademiker mit hervorragendem Ruf, eine Säule der griechisch-orthodoxen Gemeinde, ein Mann, der an den Aufbau einer modernen und freiheitlichen arabischen Welt glaubte. Er war kein Agent, noch nicht einmal ein freier Mitarbeiter. Er war ganz einfach und eingestandenermaßen ein Freund der Vereinigten Staaten von Amerika.
An einem Frühlingstag fuhr Rogers nach Süden, vorsichtig die Haarnadelkurven umsteuernd, die sich wie aufgewickelter Zwirnsfaden in Schleifen um die steilen Hügel legten, bis er das Dorf Watani und die große, mit roten Schindeln gedeckte Villa des Professors erreichte. Der Professor, den die Leute aus dem Dorf «Scheich Elias» nannten, empfing ihn an der Haustür. Er war ein hagerer alter Mann mit aufrechter Haltung in der Uniform eines Levantiner Herrn: gestärktes weißes Hemd, maßgeschneiderter grauer Anzug und roter Fes. Neben ihm stand Samir Fares in einem ausgebeulten leichten Leinenanzug, und man sah ihm an, dass ihm mehr als nur ein wenig unbehaglich zumute war.
Dr.Arslani entschuldigte sich bei seinen Gästen, dass er sie in die Berge hatte reisen lassen. Er fahre nur noch gelegentlich nach Beirut, sagte er. Der Zustand der Stadt bedrücke ihn zu sehr. Als Professor habe er daran gearbeitet, im Libanon einen modernen Verwaltungsapparat auszubilden, erklärte der alte Mann. Wenn er jedoch jetzt nach Beirut komme und sehe, was aus der libanesischen Bürokratie geworden sei, dann habe er das Gefühl, sein ganzes Lebenswerk sei umsonst gewesen.
«Alles Taschendiebe», sagte Dr.Arslani geringschätzig.
An seinem Revers trug der alte Mann noch immer das verblichene Band des libanesischen Verdienstordens, der ihm vor Jahren für seine Dienste an der Republik verliehen worden war. Bei seinem Anblick vermeinte Rogers ein Überbleibsel einer im Verschwinden begriffenen Ära vor sich zu haben. Dr.Arslani entschuldigte sich nach einigen Minuten und überließ Rogers und Fares ihrer Unterredung.
Die Unterhaltung kam nur zögernd in Gang, da keiner der beiden Männer in diesem frühen Stadium ihrer Verhandlung eingestehen wollte, warum er die weite Reise gemacht hatte.
«Wie behandelt Sie das neue Regime?», fragte Rogers.
«Ganz gut», sagte der libanesische Offizier. «Man bezahlt mir mein Gehalt.»
«Ist jetzt alles sehr viel anders als früher?»
«Wir tun das Gleiche», sagte Fares. «Aber jetzt glauben wir nicht mehr daran.»
«Warum?»
«Weil unsere Aufgabe absurd geworden ist», sagte Fares. «Unsere Aufgabe besteht darin, für die Sicherheit eines Landes zu sorgen, dessen eigene Bürger ihm nichts mehr zutrauen. Also beschützen wir etwas, das in Wirklichkeit nicht mehr existiert.»
«Warum, glauben Sie, geht dieses Land aus dem Leim?», fragte Rogers.
«Fragen Sie Dr.Arslani», antwortete der junge Libanese. «Er ist der Professor.»
«Sie haben bei ihm studiert», fuhr Rogers ruhig fort. «Was würde er Ihrer Meinung nach sagen?»
«Er hat mir einmal ein Buch gegeben, vor Jahren schon», antwortete Fares. «Es handelte sich um eine Geschichte der Weimarer Republik. Das Buch versuchte zu erklären, warum die Demokratie in Deutschland zusammenbrach. Inflation, Demoralisierung, das Anwachsen des Extremismus. Es war die Geschichte eines Landes, das seinen Kern verloren hatte und deshalb in sich zusammenstürzte. Als mir Dr.Arslani vor fünfzehn Jahren das Buch gab, fragte ich mich, warum. Was konnte das wohl mit dem Libanon zu tun haben? Erst jetzt fange ich an zu verstehen.»
«Was hätte ein vernünftiger Deutscher damals tun sollen?», fragte Rogers.
«Wenn er gewusst hätte, was da kam?»
«Ja.»
Fares lächelte; fast grinste er. Er sah, worauf Rogers hinauswollte.
«Er hätte daran
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