Operation Blackmail
Hof, wo
man heute Morgen das vierte Opfer entdeckt hatte, einen arabischen Mitarbeiter
der EuroBank namens Jassem Bati. Zu ihrer Ãberraschung kamen ihr Marco und
Pollux, der eigentlich Theo hieÃ, auf der Gangway entgegen. Irgendwas stimmte
nicht, ihre Mienen waren ernst, ihre Gesichtszüge wie versteinert, die Münder
verzogen. Beide trugen dunkle Sonnenbrillen. Was war passiert? Sie trafen sich
auf der Mitte der steilen Treppe. Solveigh begrüÃte sie überschwänglich:
»Hallo, Jungs, freut mich, euch zu sehen.«
Marco legte die Hand an die Waffe in seinem Schulterholster.
Irgendetwas lief hier ganz und gar schief, wurde Solveigh klar.
»Hallo, Solveigh«, sagte der, den alle Pollux nannten, ein groÃer
muskulöser Brite mit einem unschlagbar trockenen Humor. »Es tut mir leid, dass
ich das jetzt tun muss, aber du weiÃt, wie das ist.« Er blickte zum Himmel, an
dem die Flugzeuge über ihren Köpfen Warteschleifen drehten.
Solveigh war konsterniert: »Was meinst du mit ich weiÃ, wie das
ist?«
Marco half nach: »Agent Lang, wir müssen Sie verhaften. Wir haben
Anweisungen, Sie umgehend in die Zentrale zu eskortieren. Bitte händigen Sie
uns umgehend Ihre Waffe und Ihre Dienstmarke aus.«
Seit wann siezen wir uns innerhalb der ECSB?, fragte sich Solveigh.
Sie wandte sich an Pollux: »Das ist ein Witz, oder? Was soll das denn?«
»Es tut mir leid, Solveigh«, presste er hervor. »Wirklich.«
Er streckte ihr die Hand entgegen. Sie hatte keine Wahl, sie zog die
Jericho aus ihrem Schulterholster und streckte sie ihm mit dem Griff zuerst
entgegen. Sie wusste tatsächlich, wie es lief, und im Moment hatte sie keine
Wahl, als sich zu fügen. Trotzdem musste sie sich vergewissern. Immer noch
ungläubig ob ihrer Verhaftung, nahm sie ihr Handy aus der Hosentasche, während
sie mit der linken Hand ihren Dienstausweis von ihrem Gürtel fummelte. Das
konnte unmöglich ihr Ernst sein. Sie wählte Thaters Durchwahl, er hob nach dem
ersten Klingeln ab.
»Was in Gottes Namen soll das, Will?«, fragte sie ihren Boss. »Wollt
ihr mich auf den Arm nehmen?«
»Leider nein, Slang«, antwortete er mit ernster Stimme. »Hier stehen
einige Vorwürfe im Raum, die wir dringend entkräften müssen.«
»Was denn bitte entkräften?«, echauffierte sich Solveigh.
»Vor zwei Stunden war der Sicherheitsdienst bei mir. Dir wird
vorgeworfen, geheime Daten aus dem ECSB-Netzwerk gestohlen und an AuÃenstehende
weitergeleitet zu haben.«
»Was denn für Daten?«, wollte Solveigh wissen.
»Daten, die die Erpressung der EuroBank betreffen. Solveigh, sie
glauben, dass du mit den Erpressern zusammenarbeitest. Und ihre Beweise sind
ziemlich überzeugend.«
KAPITEL 46
Amsterdam, Zentrale der ECSB
Tag 10: Mittwoch, 16. Januar, 19:25 Uhr
Natürlich war Eddy davon überzeugt, dass Solveigh unschuldig
war. Wieder und wieder las er die Protokolle, die der Leiter der Sicherheitsabteilung
als Beweis ihrer Mittäterschaft vorgelegt hatte. Sie waren eindeutig, so viel
musste Eddy zugeben. Es existierten unmissverständliche Hinweise darauf, dass
von Solveighs Laptop Daten über einen speziellen Port an einen fremden Computer
geschickt worden waren. Und es handelte sich nicht um vereinzelte Dateien, das
Protokoll des ECSB-Systemadministrators umfasste über 1,5 Gigabyte, die
allesamt mit der EuroBank-Erpressung in Verbindung standen. E-Mails,
Tatortfotos, Videoaufzeichnungen. Und dies betrifft, wie der Kollege in seiner
E-Mail süffisant vermerkte, nur die Zeit, während der Rechner über das Netzwerk
der ECSB mit dem Internet verbunden war.
»Welche Daten Agent Lang während ihrer Dienstreisen über externe
Datennetze verschickt hat, kann nicht mehr nachvollzogen werden«, lautete der
exakte Wortlaut in seinem Bericht, der einer Anklageschrift gleichkam. Der Administrator
urteilte sie pauschal ab. Was für eine bodenlose Unterstellung, ärgerte sich
Eddy und haute mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, eine für ihn höchst
ungewöhnliche Geste. Solveigh konnte das unmöglich getan haben, und doch
sprachen alle Fakten gegen sie. Seine Kollegin war die integerste Person, die
er kannte, seine Freundin, er hätte ihr blind sein Leben anvertraut. Ohne eine
Sekunde zu zögern. Vor über zehn Jahren hatte er sie, damals noch ein StraÃenkind
in Hamburg, aus der Gosse gezogen und
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