Operation Blackmail
sie sich
gesträubt, ihn zu einem Diebstahl anzustiften. Erst nachdem Eddy ihr erklärt
hatte, dass er es auch ohne ihre Hilfe versuchen würde, hatte sie eingelenkt.
Als er die Tür erreichte, blickte er sich nach allen Seiten um.
Niemand zu sehen. Er machte sich ohne Umschweife ans Werk, schnell verstecken
konnte er sich mit seinem Rollstuhl ohnehin nicht mehr. Jedem, der zufällig
vorbeilaufen würde, wäre sofort klar, was er beabsichtigte. Er brauchte einfach
Glück. Nur ein wenig Glück, nichts weiter. Er entnahm dem Etui einen Picker,
zumindest hieà er laut Solveighs Beschreibung so, und steckte ihn vorsichtig in
das Schloss. Ein zweites, ähnliches Werkzeug nahm er in die linke Hand.
»Du musst versuchen, die Stifte hochzudrücken. Das übernimmt
normalerweise der Schlüssel«, hatte sie ihm den Vorgang beschrieben. Erst zwei
mit dem Picker und dann den letzten im Inneren des Schlosses mit dem anderen
Ding, erinnerte sich Eddy. Er fummelte herum, bis er spürte, dass er den ersten
Stift erwischt hatte. Es war erstaunlich einfach, so ein Sicherheitsschloss zu
knacken. Eigentlich verdiente es nicht einmal seinen Namen. Und mit nichts
anderem schützen die meisten Leute ihre Häuser, sinnierte er. Endlich kriegte
er auch den dritten Stift zu fassen. Er wollte gerade aufschlieÃen, als er
hinter sich Schritte hörte. Am Ende des Ganges. Schwere, kräftige Schuhe. Ein
Mann. Eddy hielt den Atem an. Hoffentlich geht er vorbei. Vornübergebeugt,
versuchte er krampfhaft, seine Werkzeuge in der richtigen Position zu halten.
Gebannt starrte Eddy den langen Flur hinunter. Jetzt konnte er eine Gestalt
ausmachen, die eilig an der Abzweigung vorbeilief, die zu ihm führte. Herrje,
Glück gehabt. Aber da hörten die Schritte plötzlich auf. Es wurde still. Drehte
er etwa um? Ja. Mist. Eddy lieà die Stifte fallen, die er mühsam mit dem Picker
hochgedrückt hatte. Er kam zurück. Ja, da stand er. Am Ende des Ganges und
schaute geradewegs in seine Richtung. Eddy blickte verdutzt zurück. Es hatte
keinen Zweck, er war aufgeflogen. Der Mann trug einen dunklen Anzug, aber er
konnte auf die Entfernung und wegen des stark gedämpften Lichts nicht erkennen,
um wen es sich handelte. Aber er saà auf dem Präsentierteller, sein Rollstuhl
war schlieÃlich nicht zu übersehen. Er tippte, dass es sich um William Thater
handelte, der blieb oft länger im Büro. ScheiÃe. ScheiÃe, ScheiÃe, ScheiÃe. Und
er erwischt mich, bevor ich überhaupt irgendwas ausrichten konnte. Ihm war klar
gewesen, dass sein Vorhaben gefährlich war. Er riskierte alles, indem er einen
Diebstahl beging und ein Beweismittel klaute. Seinen Job, seine Reputation,
seine Kollegen. Wenn er Solveighs Unschuld damit nicht beweisen konnte, waren
sie beide geliefert. Aber dass es enden sollte, bevor er überhaupt angefangen
hatte, fand er ungerecht.
Doch dann geschah das, womit er am wenigsten gerechnet hätte: Die
Gestalt machte keinerlei Anstalten, näher zu kommen. Obwohl der Mann in seine
Richtung geschaut hatte, drehte er sich um und ging denselben Weg zurück, den
er gekommen war. Eddy atmete wieder. Zum ersten Mal seit fünf Minuten, so
fühlte es sich an. Keine Zeit verlieren, dachte er, so viel Glück gibt es kein
zweites Mal, und machte sich wieder an dem Schloss zu schaffen.
KAPITEL 47
München, BaaderstraÃe
Tag 10: Mittwoch, 16. Januar, 23:40 Uhr
Mao Gruber wartete zur verabredeten Zeit in dem
Online-Rollenspiel, falls Leonid an ihrem üblichen Treffpunkt auftauchen würde.
Leider konnte er ihn nach wie vor nur vertrösten, seine Quelle hatte ihm immer
noch nicht verraten, wo genau das fünfte Ziel liegen würde. Er plante den ganz
groÃen Coup als Abschluss, der die Bank dazu zwingen würde, zu bezahlen. Da
seine Gegner Leonids Namen kannten, musste sein nächstes Attentat sitzen. Mehr
als das.
Parallel überprüfte er bei einem Finanzmagazin den Stand der
EuroBank-Aktie: sie war seit heute Mittag nach der Pressekonferenz um mehr als
30 Prozent gefallen. Ein zufriedenes Lächeln huschte über seine asiatischen
Gesichtszüge. Die beispiellose Geldvernichtung an Kapital durch die Abwertung
der Aktie in Verbindung mit seinem letzten Ziel, das würde der finale Schuss
werden, der Tropfen, der das Fass zum Ãberlaufen bringen würde. Die Schonfrist
war abgelaufen, jetzt ging es ans Eingemachte, an die Kronjuwelen
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