Operation Blackmail
bemüht, politisch korrekt zu bleiben, während ihm abwechselnd
heià und eiskalt wurde. Bei Betriebsräten wusste man nie, von wegen
neumodischer Compliance und so.
»Was soll denn das heiÃen, Herr Vanderlist?«, polterte der
Betriebsratsvorsitzende los. »Sie reden jetzt von einem Problem der Sicherheit?
Die Erpressung läuft doch schon eine Weile, und es hat bereits Opfer gegeben,
Sie hätten uns längst informieren müssen.«
Wohl um die diplomatischen Fähigkeiten seines Chefs wissend, lieÃ
Paul Heinkel antworten, der wie fast immer in solchen Situationen sogar eher
ruhiger zu werden schien: »Herr Wagenbrecht, Sie haben recht. Wir hätten Sie
informieren sollen. Punkt. Allerdings sollten Sie das nicht Paul Vanderlist anlasten,
sondern mir. Es war meine persönliche Entscheidung, die ich im besten Wissen
getroffen habe, um Schaden von der Bank abzuwenden. Ich hätte Sie einweihen
sollen. Allerdings nur Sie und nicht noch dreizehn Ihrer Kollegen. Ich möchte
jetzt an unser aller Verstand appellieren, dass wir uns auf die Zukunft unserer
Bank und unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konzentrieren. Lassen wir die
Vergangenheit für den Moment auÃer acht. Sobald wir die Situation besser im
Griff haben, werde ich jedem von Ihnen, auch dem Gesamtbetriebsrat, Rede und
Antwort und meinethalben auch meinen Posten zur Disposition stehen, aber
derzeit gelten andere Prioritäten.«
Der Betriebsratsvorsitzende konnte kaum anders, als ihm
beizupflichten, und so nickte er wortlos. Paul bewunderte Heinkel für dessen
psychologisches Geschick im Umgang mit Mitarbeitern. Er stimmte Wagenbrecht zu,
bauchpinselte ihn gleichzeitig und bekam ihn am Schluss doch dazu, freiwillig
in Heinkels Sinn zu handeln.
»Wie lautet der Inhalt des Briefs?«, wollte Paul wissen, denn
offensichtlich war er vor seinem Eintreffen bereits besprochen worden.
»Er ist bis auf die Adressaten und den Yahoo-Account exakt identisch
mit dem ersten, den wir vor elf Tagen erhalten haben. Kein Wort mehr, kein Wort
weniger«, antwortete Heinkel.
Das ist clever, dachte Paul. Keine neue Formulierung, keine neuen
Erkenntnisse. Heinkel fuhr fort: »Philipp, was mich jetzt vor allem
interessiert: Was haben wir von der Presse zu erwarten?«
»Man muss kein Experte sein, um vorauszusagen, dass es einen Sturm
auslösen wird â bei vierzehn Leuten, die direkt informiert wurden, und noch
mehr in den entsprechenden Sekretariaten. Bei der Brisanz der Situation für
jeden einzelnen Mitarbeiter können wir davon ausgehen, dass die Presse Wind von
der Sache bekommen wird. Ich kann nicht sagen, wie schnell, aber ich schätze,
wir haben höchstens zwei Tage. Und dann binnen eines weiteren Tages weltweit
alle Medien an den Hacken. Sie werden unsere Leute auf der StraÃe befragen, wie
sie sich fühlen, jeden Tag auf einem Minenfeld zur Arbeit zu gehen. Es könnte,
nein, es wird schlimm werden, wenn Sie mich fragen.«
»So gerne ich mich jederzeit für meine Betriebsratskollegen
verbürge, unter diesen Umständen muss ich Herrn Gessner zustimmen«, gestand
Wagenbrecht zu. »Binnen zwei Tagen weià es die gesamte Belegschaft â weltweit.
Und jedem wird klar sein, dass die Besson, di Bernadini und Kostas auf das
Konto der Erpresser gehen.«
»Und wie, glauben Sie, werden unsere Leute reagieren?«, fragte
Heinkel.
»Das ist schwer einzuschätzen, aber sie werden schockiert sein,
Angst haben. Ihr Verhalten wird stark von den kommenden Ereignissen abhängen.
Und wie wir mit ihnen umgehen. Vielleicht schreibt sich fünfzig Prozent der Belegschaft
krank? Ich habe keine Ahnung.«
Paul kannte die Zahlen nicht, aber er konnte sich ungefähr
vorstellen, welche Verluste der Bank entstünden, wenn nur ein Viertel nicht
mehr zur Arbeit ging.
Aber Heinkel hatte bereits eine Entscheidung getroffen: »Ich brauche
von Ihnen beiden ein Konzept für den Umgang mit der Presse und was wir unseren
Mitarbeitern sagen. Philipp, Sie haben die Federführung für alles, was
Kommunikation betrifft. Holen Sie uns den besten PR-Experten, den Sie für Geld
kaufen können. Wir brauchen eine Strategie, und zwar schnell. Das war alles,
meine Herren.«
Nach und nach leerte sich das Büro, zurück blieben zehn Tassen, die
meisten noch halb voll mit lauwarmem Kaffee. Niemand hatte die Kekse angerührt,
die Heinkels Assistentin routinemäÃig aufgefahren
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