Operation Blackmail
er auf dem Bahnhofsvorplatz der
nordbayerischen Metropole und suchte nach einem geeigneten Internetcafé. Zunächst
musste er das direkte Umfeld des Verkehrsknotenpunkts verlassen, hier waren
sicher überall Kameras, und er wollte nicht, dass sie ihn beim Betreten des
Cafés filmten. In einer SeitenstraÃe wurde er fündig. Neben einem billigen
Hotel für Handlungsreisende mit eingeschränktem Budget bot ein gleichgültig
dreinblickender Araber in einem schmucklosen Raum mit uralten PCs eine halbe
Stunde für 1 Euro 50. Bei dem Zustand der Rechner gab es sicher keine
ÃberwachungsmaÃnahmen. Und was viel wichtiger war: Beinahe alle Surfstationen
waren besetzt, das Café schien ausgelastet, kein Wunder bei den Dumpingpreisen.
Kein Mensch würde sich an ihn erinnern. Mao öffnete die Tür und trat in den
aufgeheizten Innenraum. Es roch nach billigem Kaffee, Kardamom, Schweià und â
seltsamerweise â nach Holzleim. Er bezahlte bei dem mürrischen Araber und
suchte sich einen freien PC. Die Plätze waren wie in amerikanischen Büros durch
Trennwände voneinander abgeschirmt. Er musste sich keine Sorgen machen, dass
sein Nachbar etwas von seinen Aktivitäten bemerken würde. Er entschied sich für
den nächstbesten Rechner und startete einen Browser. Erst mal sehen, ob wir
eine Internetverbindung haben. Er rief die Seite des Wochenmagazins auf, das er
im Zug gelesen hatte. Danach kreierte er sich unter einem Phantasienamen mit
falscher Adresse einen neuen Account bei Googlemail.com, was nicht länger als
zwei Minuten in Anspruch nahm. Das Eintippen der E-Mail, die er auswendig
gelernt hatte, war in einer weiteren Minute erledigt. Zum dritten Mal überprüfte
er die Empfängerliste und ob die Nachricht im Wortlaut genau seiner Vorgabe
entsprach. Ja, freute er sich, das wird das Chaos bei der EuroBank perfekt
machen. Sie werden zahlen. Keine Gnade mehr. Und auch die ominöse ECSB wird
ihnen nicht helfen können, denn das Tempo, das er hiermit heraufbeschwören
würde, war mörderisch. Grinsend klickte Mao auf »Senden«.
KAPITEL 39
Frankfurt am Main, Konzernzentrale der EuroBank
Tag 8: Montag, 14. Januar, 11:14 Uhr
»Der Chef will Sie sehen, Paul, sofort«, war die knappe
Anweisung der persönlichen Assistentin des Vorstandsvorsitzenden der EuroBank,
Peter Heinkel. Es muss etwas passiert sein, rauschte es Paul durch den Kopf.
Gab es ein neues Opfer? Er hastete den Gang im 33. Stock des Hochhauses
hinunter, stürmte an Kollegen vorbei. Als er Heinkels Büro erreichte, winkte
ihn seine Assistentin direkt durch: »Er wartet schon.«
Vor der groÃen Tür räusperte sich Paul einmal kurz, um nach dem
Spurt auch sicher eine klare Stimme zu haben, und ging dann hinein. Neben Peter
Heinkel saÃen noch sieben weitere Personen im »schwarzen Salon«, wie die
Sitzgruppe in Heinkels Büro im Mitarbeiterjargon genannt wurde, und ihre
Anwesenheit verhieà nichts Gutes: Der gesamte Vorstand der Bank, erweitert um
Philipp Gessner, den Leiter der Unternehmenskommunikation, und Klaus
Wagenbrecht, den Betriebsratsvorsitzenden. Alle hockten mit stocksteifer Mine
kerzengerade auf ihren Stühlen, es herrschte Grabesstimmung.
»Ach, Sie sindâs, Paul, kommen Sie rein, und machen Sie die Tür zu.«
Wie geheiÃen, schloss Paul die schwere Eichentür und setzte sich
neben Philipp Gessner, den er persönlich sehr mochte. Peter Heinkel kam gleich
zur Sache: »Paul, das wird Ihnen nicht gefallen. Wir haben einen weiteren Brief
von den Erpressern erhalten.«
Paul war schockiert. Er bespricht die Erpressung vor dem
Betriebsrat? Paul warf einen nur für Heinkel bestimmten Seitenblick auf Klaus
Wagenbrecht, den Betriebsratsvorsitzenden, und runzelte kaum merklich die
Stirn.
»Genau das ist das Problem, Paul. Er ging auch an unsere
Betriebsräte, und zwar an alle. Deshalb habe ich Philipp und Herrn Wagenbrecht
dazugebeten.«
Auch das noch, dachte Paul. Bisher hatte es in der Bank vage
Gerüchte gegeben, dass in der Chefetage irgendetwas im Gange war, aber durch
die hermetisch abgeschotteten Vorzimmer der Vorstände und der
Sicherheitsabteilung war nichts nach auÃen gedrungen. Das konnten sie nun vergessen.
Wenn über vierzehn Betriebsräte Kenntnis von der Erpressung hatten, war sie so
gut wie öffentlich.
»Das ist ein ernstes Problem für die Sicherheit dieses Instituts«,
folgerte Paul,
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