Operation Blackmail
Kette
ihres Ablenkungsmanövers. Und drittens: sie arbeiten als Zweierteam. Ein
Planer, der die Fäden in der Hand hält, die Erpressermails versendet und die
Reaktion der Bank beobachtet. Und ein Zweiter, der die Morde ausführt. Wir
haben uns entschieden, den beiden jeweils einen vorläufigen Namen zu geben.
Eddy?«, bedeutete sie ihm, das nächste Chart aufzurufen.
Â
Mastermind
â Computerspezialist
â hochintelligent
â gebildet
â zwischen 25 und 35 Jahre alt
â arrogant
â lebt allein
â wenig soziale Bindungen
Â
Soldat
â militärisch ausgebildet
â kurze graue Haare
â guter Schütze
â Sprengstoffexperte
â 50â65 Jahre alt
â empathisch
â skrupellos
â intaktes soziales Umfeld
Â
»Die psychologischen Annahmen stammen von Bernd, unserem
Profiler«, kommentierte Solveigh. »Sie sind als vorläufig zu betrachten.
Masterminds Alter und sein Singledasein schlieÃt er aus der Komplexität und dem
Zeitaufwand, eine solche Tat zu planen und vorzubereiten. Charakterbestimmend
ist seine Arroganz. Er glaubt ganz eindeutig, uns überlegen zu sein. Er spielt
mit uns. Und vielleicht auch mit seinem Soldaten. Es ist nicht auszuschlieÃen,
dass er ihn am Ende fallen lässt wie eine heiÃe Kartoffel. Die Empathie, die er
dem Soldaten zuschreibt, schlussfolgert Bernd vor allem aus der Tatsache, dass
er Kostas Frau mit dem Anruf gewarnt hat. Trotz seiner Brutalität ist er keine
reine Tötungsmaschine.«
Unter der Tischplatte wackelte Thater mit dem rechten Bein und
starrte auf die Leinwand. Solveigh kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass ihm
etwas aufgefallen war, das sie übersehen hatten. Sie lieà ihm Zeit, schlieÃlich
erhob er sich und trat vor die Projektion mit ihrer Liste. Einen Kugelschreiber
in der Hand, pochte er auf ihre Zusammenfassung über den Soldaten: »Das hier,
das ist gut«, setzte er an. »Wonach sieht das für euch aus? Empathisch und
zugleich gewalttätig? Sprengstoff, ein Kopfschuss aus achtzig Metern mit einem
Unterschallprojektil, zwei Schüsse aus nächster Nähe? Vollkommen skrupellos,
und trotzdem warnt er die Frau. Na, wonach sieht das aus?«
»Nach einem militärisch ausgebildeten Mann mit einem intakten
familiären Umfeld?«, bemerkte Eddy trocken. Solveigh ahnte, dass es sich dabei
nicht um das handelte, worauf Thater hinauswollte.
»Nein, Eddy. Das sieht nicht nach Militär aus, das riecht nach
Geheimdienst. Ich tippe auf die Russen. GRU oder die Nachfolger des KGB.
Soldaten werden auf Funktionieren gedrillt, Kollateralschäden eingeschlossen.
Aber Agenten müssen auch ein intaktes Privatleben vorgaukeln, sie brauchen
Charme und Einfühlungsvermögen. Dennoch werden sie für alle Eventualitäten
ausgebildet, von Sprengstoff bis Nahkampf, schlieÃlich weià man nie, in welche
Situation sie geraten. Auch die Waffe passt dazu, das Gewehr wurde für sie
entwickelt. Vielleicht hat er es gar nicht vom Schwarzmarkt, sondern bei seiner
eigenen Einheit eingesackt.«
Solveigh fühlte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Das war nicht gut.
Gar nicht gut. Ein ehemaliger KGB-Agent? Wenn er über fünfzig war, hatte er
viele Jahre gedient. Und die Ausbildung für ihre Auslandsagenten war seit den
Achtzigerjahren legendär, die Russen hatten die besten Spione der Welt
hervorgebracht. Die durchtriebensten Mörder, die nettesten Familienväter, die
liebsten Ehemänner, die geschicktesten Manipulatoren. Sie erschauderte bei dem
Gedanken, dass dies der Mann war, den sie jagen sollten.
»Noch eine Frage: Versetzt euch in die Lage unseres Masterminds.
Gehen wir für einen Moment davon aus, dass sich die beiden nicht bei einem
Kaffeekränzchen seiner Mutter über den Weg gelaufen sind, sondern dass auch
hier ein Plan zugrunde liegt: Wo würdet ihr einen solchen Mann für euren Plan
akquirieren, eine groÃe Bank zu erpressen?«
Solveigh beantwortete seine rhetorische Frage: »Vor Ort. Bei einer
der Einheiten, die seit Jahren keinen Sold mehr bekommen, denen das Ende des
Kalten Krieges die Existenzberechtigung entzogen hat.«
»Genau. Ich muss telefonieren. Das wird mich jeden Gefallen kosten,
den ich östlich der Elbe noch einfordern kann, aber wenn aus einem dieser Kader
jemand fehlt, dann werde ich es herausbekommen«, versprach Thater und verlieÃ
den Raum.
Ich hoffe,
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