Operation Glueckskeks
und George-Michael-Dreitagebärte im Gesicht aus unerklärlichen Gründen hip wurden, habe ich meine Kollegen, die so herumliefen, beschimpft, verhöhnt, verbal mit Matsch beworfen. Seit einem halben Jahr habe ich nun die exakt gleichen Fummel an, finde es mördermäßig chic und trage meine lila gerahmte Ray-Ban-Sonnenbrille sogar im Büro. Mama sagt, ich sähe aus wie ein Frisör. Na ja.
So. Und jetzt bin ich auch bei Facebook. Endlich weiß ich, wann eine in Südafrika lebende Freundin eine Pause am Rechner macht, um einen Apfel zu essen. Und dass ihr neuer Hund Durchfall hat und wie das genau aussieht. Ich bin dabei, wenn alte Schulfreunde, die mir damals schon so sympathisch waren wie eine Zahnwurzelbehandlung, neue Fotos
von ihren sehr mopsigen Kindern ins Netz stellen. Kurz: Ich ziehe mir unfassbar banalen Kram rein, der süchtig macht und so öde ist wie das Telefonbuch von Fallingbostel.
Sie ahnen es, ich bin jetzt auch bei Stayfriends und allen anderen Netzwerken Mitglied, um meinen neuen, digitalen Freunden nahe zu sein und von mir zu berichten. Bei einem eitlen Sack wie mir ist die Mitteilungswut kaum einzudämmen. Ich will ehrlich sein: Ich verliere den Überblick. Ich habe jetzt einfach zu viele Freunde, ein Problem, das ich in meinem Leben bisher nicht kannte.
Während Sie diese Zeilen lesen, habe ich drei neue »Freundschaftsanfragen« bekommen. Carolin aus Amsterdam? Benjamin aus Dresden? Steffi aus Bielefeld? Ich habe die Namen der drei noch nie gehört, und da sie sich mit GEZHAFTER Hartnäckigkeit melden, wächst in mir der teuflische Plan, sie so zu behandeln wie echte Freunde. Einfach mal spontan vorbeikommen und sich den Rasenmäher ausleihen. Ungefragt zum Essen bleiben, weil man den Abend nicht allein verbringen will. Ich könnte auch pampig werden und meckern, dass meine neuen Facebook-Freunde meinen Geburtstag vergessen haben und keiner mit Kuchen vor der Tür stand, diese Bande herzloser Raben. Oder ich frage mal rum, ob einer mithelfen würde, an einem heißen Tag den Dachboden auszumisten. Vor allem die betonschwere Kommode mit der scharfkantigen Marmorplatte lässt sich ohne Hilfe nicht bewegen. Hey Facebook, wir sind doch Freunde!
Endlich bin ich dabei, wenn Schulfreunde, die mir damals schon unsympathisch waren, Fotos von ihren mopsigen Kindern ins Netz stellen.
Illu. 6
Während meine neuen virtuellen Kumpel Fotos von ihrem letzten Yoga-und-Surfen-Urlaub in Portugal hochladen um der Welt zu zeigen, wie geilomäßig ihre Work-Life-Balance ist, habe ich eine Studie der Uni Adelaide gefunden. 1500 Australier gaben zehn Jahre Auskunft darüber, wie oft sie Freunde und Verwandte trafen. Ergebnis: Wer häufig liebe Leute sieht, hat die höchsten Chancen, länger und gesünder zu leben. Berührungen von Freunden führen dazu, dass der Körper Oxytocin produziert, einen Stoff, der Wunden schneller heilen lässt und den Blutdruck senkt.
Berührungen von Freunden. Wenn man also in den Arm genommen wird. Wenn man Schulter an Schulter ein Bier trinkt. Wenn man zusammen angeschickert eine Düne runterrutscht. Wenn man zu zweit auf einem Motorroller sitzt, eine zu dünne Jacke anhat und einem nichts anderes übrig bleibt, als sich aneinander festzuhalten. Ich weiß, wie konservativ, kitschig und trachtenvereinig das klingt. Aber das ist mir gerade sehr egal. Ich schließe mein Facebook-Fenster. In zwei Stunden kommen Stulli, Martin, Dominik, Silke, Felix und Dirk. Freunde aus Fleisch und Blut. Und es gibt nichts Digitales, keine Fotos, auf denen man versucht, viel hübscher auszusehen, als man ist. Es gibt Nudeln.
Plötzlich Millionär: Eine Lampe und ein Pony
I ch mag keine Gesprächspausen. Und Paare, die miteinander schweigen können, waren mir immer schon ein Rätsel. Ich kann das nicht. Ich muss reden. Dauernd. Mit meiner Freundin, den Kollegen, allen. Mein Mund macht das ganz alleine. Das klingt dann so: »Hör mal, wie mein Computer brummt, wie ein Katze!« Oder: »Das war toll, als es noch Tipp-Ex gab, oder?« Und: »Findest du nicht auch, dass Bushido aussieht wie die Knast-Variante von Heiner Lauterbach?«
Von solchen Sätzen habe ich eine Milliarde in petto, und ich bin nicht stolz darauf. Meine Freundin findet, es sei, als liefe immer ein Radio im Zimmer. Während sie das sagte, meinte ich über ihrem Kopf eine Denkblase zu erkennen, in der stand: »Öfter mal Klappe halten wäre wirklich ein Geschenk!«
Nun ja. Wenn ich nix, aber auch wirklich nix mehr zu erzählen habe,
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