Operation Overkill
jeder Schockwelle standhalten.
Der ganze Komplex ist praktisch von der Außenwelt unabhängig. Für elektrischen Strom sorgen sechs Die-selgeneratoren, deren Treibstoffvorrat für dreißig Ta-ge reicht. Außerdem verfügt die Anlage über Trink-wasser, Nahrungsvorräte und Unterkünfte.
Normalerweise sind im Cheyenne Mountain rund achthundert Mann Besatzung. Als Brigade-General Wayne Harmon an diesem Nachmittag um zwei zum Dienst angetreten war, hatte er mit einem Blick auf die Personalliste festgestellt, dass sich zurzeit 1243 Menschen in dem Komplex aufhielten, die teils Bereitschaft hatten, teils darauf warteten, den Bereitschafts-dienst abzulösen. Harmon hörte das leise Murmeln der Air-Force-Offiziere, die sich miteinander unterhielten, aber auch die kurzen, knappen Durchsagen, die über Funk- und Satellitenverbindung weitergegeben wurden. Vom North American Aerospace Defense Command (NORAD) waren bereits sämtliche Frühwarn-Radarstationen in aller Welt vom neuesten Stand der Alarmbereitschaft in Kenntnis gesetzt worden. Unter anderem Fylingdales in Yorkshire, England, Diyarbakir in der Türkei, Shemya und Clear in Alaska, Thule in Grönland sowie die dreiunddreißig Stationen des Distance Early Warning System – die so genannte »DEW-Kette« –, die mittlerweile in die Jahre 697
gekommenen Frühwarnstationen entlang der Nord-grenze von Kanada.
General Harmon warf einen letzten Blick auf die Diensthabenden, dann drehte er sich um und ging in sein Büro. Er setzte sich auf einen Ledersessel und lös-te seine Krawatte. Trotz der Klimaanlage war es heiß, und er hatte bereits einen langen Tag hinter sich.
Gibraltar
Um 23 Uhr 30 Ortszeit zog Reilly den Tornado in eine Linkskurve. Richter konnte nach vorn nichts erkennen, da ihm der Pilotensitz die Sicht versperrte, aber links sah er die Lichter von Gibraltar, etwas weiter nördlich La Linea, dazwischen die dunkle Fläche des Flugplatzes, dessen Anflugschneisen- und Lande-bahnbefeuerung aus dieser Entfernung noch kaum auszumachen war. Der Tornado war viertausend Fuß über der Bahia de Algeciras – noch etwa zwei Minuten bis zur Landung.
Fünf Minuten später verklang das letzte leise Heulen der Triebwerke, als Reilly die Maschine auf dem ihnen zugewiesenen Platz ausrollen ließ und die Fest-stellbremse betätigte. Etwa hundert Meter entfernt sah Richter eine C-130 Hercules stehen – der SAS war also vermutlich schon hier. Auf Reillys Anweisung hin setzte er die Nadeln für Schleudersitz und MDC wieder ein, löste den Sitzgurt und öffnete den Gepäckraum, holte seinen Revolver und den Werkzeugkasten 698
heraus und zwängte sich dann aus der Maschine. Der Einweiser deutete auf einen Sherpa mit der Aufschrift
»Air Traffic Control«. Sie gingen hin und stiegen ein.
24
Donnerstag
HMS Rooke, Gibraltar
»Bevor wir loslegen, sollten wir uns zunächst über die Grundregeln einigen«, sagte Richter, während er über den Tisch der Offiziersmesse hinweg zu Dekker und Major Ross, dem ranghöchsten SAS-Offizier, blickte.
»Meine Anweisungen sind diesbezüglich eindeutig.
Wir sollen das Schiff in unsere Gewalt bringen und die Waffe entschärfen. Alles andere ist zweitrangig.
Wenn wir auf Widerstand stoßen, sollen wir ihn unter Einsatz aller Gewaltmaßnahmen, die wir für notwendig halten, überwinden. Das ist die offizielle Sprach-regelung. Im Klartext heißt das, dass wir die Mistkerle erschießen, angefangen von den Wachposten, die sie aufgestellt haben, bis zur Schiffskatze. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Glasklar«, erwiderte Ross nickend.
»Gut, Major«, sagte Richter. »Wo liegt die Anton Kirow ?«
Das Schiff war an der North Mole vertäut, sodass sie ohne große Mühe herankommen konnten.
Wenn es in der Bucht geankert oder an der Deta-ched Mole gelegen hätte – einer langen Kaizunge, die die beiden Betonarme der North und South 700
Mole beinahe miteinander verband –, hätten sie Boote gebraucht.
Ross schlug zwei verschiedene Angriffstaktiken vor.
»Meiner Ansicht nach haben wir zwei Möglichkeiten«, sagte er. »Entweder versuchen wir es mit einem Ablenkungsmanöver – zum Beispiel einem Brand irgendwo auf oder in der Nähe der Mole –, damit wir unbemerkt an Bord kommen können, oder wir unternehmen einen Frontalangriff. Einen Frontalangriff, der möglichst leise und unauffällig vonstatten geht – nur damit das klar ist. Colin – was schlägst du vor?«
»Ich bin deiner Meinung, was die beiden Möglichkeiten angeht«,
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