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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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aber der besaß nicht genug Geld. Der benachbarte Universitätsprofessor wollte damit seine Töchter versorgen. Der Geringste sagte: »Der hat seine Familie in der Lotterie gewonnen. Früher kam er manchmal allein an den Attersee, um an einem Buch zu schreiben. In seinem Einkaufskorb waren nur Bananen und Schokolade. Fünf Tage später ging er wieder einkaufen: Bananen und Schokolade. Wenn seine Familie aufkreuzte, verschwand er.«
    Letztlich war auch ihm das Haus zu teuer. Der Baumeister wiederum hatte die Agentur wissen lassen, daß er bereit wäre, andere Interessenten zu überbieten. Ihm wollte es der Geringste, obwohl die Agentur darauf drängte, auf keinen Fall verkaufen. Ich sagte: »Wir erfinden ein Angebot, das zwei Millionen über dem seinen liegt. Dann soll er sich ausbluten.«
    »Der kriegt es nicht einmal für hundert Millionen«, antwortete der Geringste.
    Den Zuschlag bekam ein Werbefritz aus Frankfurt. Seine Frau hatte angeblich Sehnsucht nach ihrer alten Heimat. Er wollte das Haus vorerst im Urlaub nutzen und später ganz an den Attersee übersiedeln.
    Pandabär und der Polier, beide ohne polizeilich bekanntes Vorleben und in regulärer Arbeit stehend, nahmen sich einen Tag frei, um mit dem Geringsten an den Attersee zu fahren. Sie unterschrieben den Kaufvertrag als Zeugen.
    Unser Plan, den wir in allen Details immer wieder durchgesprochen hatten, war dieser: Am Abend geht der Geringste mit den beiden Zeugen ins Restaurant Häupl, um ausgiebig und teuer zu essen. Danach feiern sie so lange wie möglich in Seewalchen, Schörfling und Weyregg den Verkauf des Hauses. Druckeberger und der Professor verbringen ein paar Tage in Rappottenstein. Sie bestellen beim Bauern Raffelseder für den Freitagabend ein geschlachtetes und abgezogenes, aber noch nicht ausgenommenes Lamm. Um neun Uhr abends fahren sie zum Gasthaus, in dem, wenn alles glattgeht, Raffelseder, wie jeden Freitagabend, bei seiner Tarockrunde sitzen müßte. Sie entschuldigen sich bei ihm, daß sie so spät dran seien, und fragen, ob sie das Lamm um diese Zeit noch holen könnten. Und sie sagen auch, daß sie, wie üblich, den Kopf und die Innereien zurückbringen würden. Wir konnten damit nämlich nichts anfangen, aber die Bauern bereiteten auch die Innereien zu. Dann fahren sie zum Bauernhof, lassen sich dort Zeit und plaudern in Ruhe mit der Raffelsederin, um gleich darauf nach Wien zu fahren. Während der Fahrt nimmt Druckeberger im Fond des Wagens das Lamm aus und schneidet den Kopf ab. In Wien führen sie mit den beiden im Kofferraum bereitstehenden Benzinkanistern die Aktion durch. Wenn alles geklappt hat, rufen sie mich aus einer Telefonzelle in Heiligenstadt an, lassen das Telefon einmal läuten und legen dann sofort auf. Anschließend fahren sie, so schnell wie möglich, nach Rappottenstein ins Gasthaus, wo, aller Erfahrung nach, Raffelseder immer noch bei seiner Tarockrunde sitzen müßte. Sie bringen ihm einen Eimer mit dem Lammkopf und den Innereien. Sie nehmen Platz, trinken und schauen den Bauern bis zum Ende beim Kartenspiel zu. Zwischendurch reden sie über ein paar Schwierigkeiten beim Ausnehmen eines Lammes und lassen sich Tips geben. Noch am frühen Morgen tranchieren sie das Lamm und braten zum Mittagessen eine Keule. Sie pökeln die restlichen Lammstücke ein und fahren nach Wien. Das war unser Plan.
    Alle anderen Kameraden sollten, jeder für sich, am Freitagabend irgendwo hingehen, wo sie gesehen und, wenn möglich, gekannt wurden. Feilböck sagte, er werde eine Veranstaltung der Nationalen Partei besuchen. Ich machte Überstunden. Ich hatte mir eigens Arbeit aufgehoben, aber zufällig war an diesem Tag ohnedies ein Aufriß für einen Umbau zu zeichnen. Die Außenklingel des Telefons hatte ich abgeklemmt. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, weil ich dauernd darüber nachdachte, ob unser Plan irgendwo eine Schwachstelle habe. Und es gab eine. Druckeberger und der Professor mußten unbedingt noch vor zwei Uhr nachts im Gasthaus ankommen. Da war nämlich offizielle Sperrstunde. Der Wirt drehte dann das Außenlicht ab und ließ keine neuen Gäste mehr ein. Wenn die beiden aus irgendeinem Grund die Aktion nicht gleich durchführen konnten, mußten sie sich trotzdem im Gasthaus irgendwie bemerkbar machen, sonst brach ihr Alibi zusammen.
    Ich zeichnete und wartete. Im Hintergrund lief das Radio. Knapp vor Mitternacht läutete das Telefon einmal. Um halb eins wurde die Musik für eine Sondermeldung unterbrochen: Brand

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