Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
Vom Netzwerk:
und die Kontrolle über ihre Stimme verlieren, sprach er so leise, daß man genau hinhören mußte. Er verbat sich jede Zusammenarbeit mit anderen Gruppen.
    Feilböck wollte nicht nachgeben. Er sagte, das Lokal sei zwar nicht groß, doch am Abend sei es gesteckt voll. Allein würden wir das nicht schaffen. Die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen solle nicht andauern, sondern nur für diesen einen Zweck bestehen. Wir würden dabei nichts preisgeben. Feilböck hatte einen genauen Plan entwickelt. Jedem von uns teilte er eine Aufgabe zu. Nur der Geringste sollte selbst entscheiden, in welcher Form er sich an der Aktion beteiligen wolle.
    Doch Feilböck biß beim Geringsten auf Granit. Die anderen schwiegen. Ich persönlich fühlte mich geehrt, daß Feilböck die Rache für mich so am Herzen lag, war aber andererseits der Meinung des Geringsten, daß unsere Bewegung sich allein bewähren müsse. Heute denke ich, es ging nicht nur darum, ob man mit anderen Gruppen zusammenarbeiten sollte. Es ging darum, ob der unbestrittene Zeremonienmeister der Bewegung auch sonst das Sagen hatte. Feilböck und der Geringste wurden bei dieser Totenmesse nicht einig. Danach, beim großen Mahl, sprachen sie nicht mehr davon. Wir hatten vereinbart, Meinungsverschiedenheiten nur bei den Totenmessen auszutragen. Aber die Stimmung blieb getrübt. Gerade waren wir noch ein Körper gewesen, eine Woche später schien er schon zu zerfallen.
    Einige Wochen lang wollte Feilböck die Aktion Türkenlokal nicht aufgeben. Zwar dachte er jetzt auch darüber nach, wie wir sie allein durchführen könnten, zum Beispiel mit Hilfe eines Sprengsatzes. Aber damals waren wir für solche Aktionen noch nicht gerüstet. Der Professor fand im Internet Informationen über das Herstellen von Bomben und Zeitzündern. Sie stammten von amerikanischen Kameraden. Doch dann kam alles anders.
    Das Hickhack darüber, welche nun unsere nächste Aktion sein sollte, war noch nicht zu Ende, da wurde ich eines Nachts wach, weil jemand fortwährend auf den Summer drückte. In der Gegensprechanlage war die aufgeregte Stimme des Poliers: »Feilböck hat angerufen: Joe ist überfallen worden.«
    Minuten später raste der Polier mit mir durch Wien. »Diese Schweine«, sagte er immer wieder. »Jetzt sind sie zu weit gegangen.«
    Wir wollten den Bladen abholen. Er hatte kein Telefon und keine Gegensprechanlage. Wir warfen Steinchen an sein Fenster im zweiten Stock. Bevor er wach wurde, weckten wir ein paar andere Bewohner im Haus, deren Fenster versehentlich getroffen wurden. Sie schrien herab und drohten, die Polizei zu holen. Es blieb uns nichts übrig, als auf den Bladen zu verzichten.
    Am Lerchenfelder Gürtel stand das Haustor offen. Im Souterrain brannte Licht, es war ruhig. Wir schlängelten uns an mehreren behängten Wäscheleinen vorbei. Die Tür zum Abteil des Geringsten war eingedrückt. Jemand mußte mit Wucht dagegengelaufen sein. Eine schräg genagelte Latte hielt die zersplissenen Bretter notdürftig zusammen. Der Geringste lag im Bett. Seine Beine und ein Arm waren bandagiert. Feilböck und Druckeberger saßen neben ihm auf dem blutbefleckten Bettzeug. Aus zwei Schnittlöchern im Inlett kamen Federn heraus. Die Stereoanlage lag zertrümmert am Boden. Druckeberger wies auf das Küchenmesser auf dem Tisch.
    »Damit wollten ihn die Serben abstechen«, sagte er. Der vordere Teil der Klinge war braun.
    Der Geringste erzählte uns, was geschehen war. Er habe wieder einmal das Horst-Wessel-Lied gespielt. Aber anstatt ihre Tür zu schließen, seien die Serben zu seinem Abteil gekommen. Er habe sich mit dem Küchenmesser am Eingang aufgestellt. Plötzlich habe einer der Serben eine Pistole gezogen.
    »Ich habe die Tür zugeschlagen«, sagte der Geringste, »und mich ganz eng zur Seitenwand gestellt.«
    Er setzte sich im Bett auf und deutete mit seinem bandagierten Arm zur linken Ecke neben der Eingangstür, wo seine Lederjacke an der Wand hing. »Dann ging alles sehr schnell«, sagte er. »Plötzlich ein Krach, Bretter fliegen aus der Tür. Eine Hand greift herein. Die Tür ist offen, und der Serbe steht mit der Pistole vor mir. Messer, sagt er. Messer. Ich weiche zum Bett zurück. Er mir nach. Ich gebe ihm das Messer. Er fängt an, auf mich einzustechen, während der andere den Plattenspieler zertrümmert. Dann hauen sie ab. Die anderen gaffen zur Tür herein. Keiner hilft mir. Ich sage: Schleicht euch, Gfraster. Sie sind alle mitschuldig. Außer der Angolanerin, die nicht da

Weitere Kostenlose Bücher