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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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ETV seinen Chef in Kalamitäten bringe. Seine kurze Zusammenfassung der getroffenen Entscheidungen klang wie die Ausgabe einer Schlachtordnung: »Machen Sie mit dem Herrn Operndirektor einen Vertrag. Zwei Bedingungen: Die dekorative und architektonische Gestaltung des Hauses bleibt der Direktion überlassen. Und: Keine Werbung in der Oper.«
    Natürlich hatten wir dennoch Werbung in der Oper. Aber das war Eigenwerbung auf eigenem Equipment. Jedes Mikrophon, jede Kamera, jeder Reporter trug unser Logo. Ursprünglich war von einer Stunde Sendezeit die Rede. Man war sich in Paris offenbar nicht sicher, ob man auf das richtige Pferd setzte. Vielleicht gab es auch Widerstände. Das Opernballprojekt wurde intern als eine Art Probegalopp gehandelt, der Vertrag ausdrücklich nur für den nächsten Opernball geschlossen, mit Optionen für die folgenden Jahre. Durch die in der Vorbereitungsphase gezielt ausgestreuten Gerüchte, wer zum Opernball kommen werde, gelang eine unerwartet hohe PR-Akquisition. Bald sprach man von zweieinhalb Stunden Sendezeit. Anfang Dezember stand fest, die Sendezeit wird auf vier Stunden ausgeweitet, um eine für europäische Zuschauer erträgliche Balance von Livesendung und Werbeblocks herstellen zu können.
    Vorher stand leider noch etwas anderes fest. Ich hatte mich bis zuletzt dagegen gewehrt. Meine Aufgabe hinsichtlich des Opernballs sah ich mit der Einfädelung des Vertrags als beendet an. Das war ein Irrtum. Michel Reboisson bestand darauf, daß ich die Sendeleitung übernehme. Ich dachte an die Worte meiner Mutter: »... landen wirst Du letztlich in der Werbeabteilung.«
    Ich erklärte Michel Reboisson in einem Brief, warum ich den Opernball nicht übernehmen könne. Ich würde eine neue Jugoslawienreportage vorbereiten, und ich müsse mich dringend in den Kaukasus einarbeiten, wo ein vergessener Krieg stattfinde. Mit einer großen Kaukasus-Reportage hätte ETV die Nase vorne. Dann erinnerte ich ihn, daß ich, laut Dienstvertrag, für politische Berichterstattung aus dem Osten zuständig sei, aber nicht für Klatsch aus dem Westen.
    Die Antwort kam schon ein paar Tage später in einem eingeschriebenen Expreßbrief. Der Wiener Opernball werde von ETV als ein eminentes politisches Ereignis von gesamteuropäischer Dimension verstanden. Ich sei nicht nur ausgesucht worden, weil man großes Vertrauen in mein Können habe, sondern vor allem, weil ich der einzige sei, der auf eine effiziente Weise Osteuropa in die Live-Berichterstattung miteinbinden könne. Der Brief schloß mit den Sätzen: »Laden Sie alle Präsidenten und Ministerpräsidenten Osteuropas nach Wien ein. Der Opernball muß zu einem jährlich stattfindenden Wiener Kongreß werden. Dies ist ein Dienstauftrag.«
    Ich zerknüllte den Brief und schleuderte ihn an die Wand. Dann ging ich ans Werk. Unerwartete Unterstützung fand ich im Bundeskanzleramt. Der Pressesprecher rief mich bald jeden Tag an und fragte, welche Politiker zugesagt hätten. Er schickte eigene Einladungsbriefe aus und begann ein Protokoll für Logenbesuche zu erstellen. Jeder bedeutende Politiker sollte irgendwann im Laufe der Ballnacht dem Bundeskanzler einen informellen Besuch abstatten. Der Bundeskanzler wollte sich zum Gastgeber machen. Das führte zu Spannungen mit dem Bundespräsidenten, der sich als der eigentliche Hausherr fühlte. Sein Pressesprecher traktierte mich mit Revisionen des vom Bundeskanzleramt erstellten Protokolls. Irgendwann platzte mir der Kragen, und ich sagte den beiden Herren, daß ich mit dem Protokoll erst wieder zu tun haben wolle, wenn es endgültig sei. Was sie aber keineswegs davon abhielt, mir bei Abendessen und Smalltalks auf Festen ihre guten Ratschläge weiterhin zur Verfügung zu stellen.
    Mitten in einer hektischen Woche erreichte mich ein Brief meines Vaters, in dem er mir kurz und sachlich mitteilte, was ich ohnedies schon wußte. Er wolle mir in Wien nicht zur Last fallen, schrieb er, aber er wünsche sich natürlich, mich während der vier Tage seines Aufenthalts wenigstens einmal zu sehen. Die Sache war mir insofern unangenehm, weil ich in Bratislava und Budapest Interviews mit Politikern arrangiert hatte, ohne auf das Datum zu achten. Die Interviews gehörten zu einer Reportage über die ungarische Minderheit in der Slowakischen Republik. Ich rief meinen Vater an und sagte ihm, daß ich am Beginn seines Wienaufenthalts nicht hier sein werde. Er sei aber dennoch herzlich eingeladen, bei mir zu wohnen.
    »Nein, nein«,

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