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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Anrufbeantworter ab. Es meldete sich einer dieser jungen, gelackten Pressejournalisten, die sich selbst für wichtiger nahmen als das, was sie zu berichten hatten. Ich kannte ihn von einem Journalistenlokal in der Bäckerstraße. In seiner Zeitung hatte er sich zuletzt mit einer Haßtirade gegen die Grünen hervorgetan. Mit Musik von Mozart im Hintergrund fragte er, ob er noch heute nacht vorbeikommen könne. Gabrielle drückte schnell auf die Taste, aber das hatte nur zur Folge, daß der Widerling dieselbe Frage noch einmal stellte. Da zog sie den Netzstecker.
     
    Hätte ich Dich daheim vorgefunden, Fred, diesmal hätte ich Dich verdroschen.
    Ich suchte für Fred eine Wohnung und meinte schon, großes Glück zu haben, weil zufällig in unserem Haus eine frei wurde. Die Hausbesitzerin zeigte jedoch kein Interesse, sie an mich zu vermieten. Sie wolle die Wohnung erst renovieren, und dann werde man weitersehen. Ich sagte, wir würden die Wohnung selbst renovieren. Da fuhr sie mich an: »Sie können die Wohnung nicht haben. Verstanden?«
    Ich hatte nicht verstanden. Gabrielle lachte, als ich ihr davon erzählte. »Selbstverständlich kannst Du die Wohnung haben«, sagte sie. »Du mußt der Frau nur Geld anbieten. Gib ihr 200 000 Schilling, und Fred kann morgen schon einziehen.«
    Ich probierte es mit der Hälfte. Die Antwort der Hausbesitzerin: »Kommen Sie mit dem Geld zu mir. Dann machen wir einen Mietvertrag. Aber keinen Scheck bitte.«
    Als ich sie fragte, wie das nun mit dem Renovieren sei, antwortete sie: »Sie wollten die Wohnung doch selbst renovieren.«
    Es war eine kleine Wohnung mit zwei Zimmern, Küche und Bad. Fred gefiel sie. Die Miete war niedrig, weil es keine Zentralheizung gab. Ich ließ eine einbauen. Nach etwa zwei Monaten konnte Fred einziehen.
    In der Zeit, als die Handwerker in Freds Wohnung arbeiteten, bekam ich ein Fax aus Paris. Michel Reboisson ließ anfragen, ob die Übertragungsrechte für den nächsten Opernball schon vergeben seien. Ich fühlte mich dafür nicht zuständig und gab das Fax an die Klatschabteilung weiter. Ein paar Tage später erhielt ich das nächste Fax. Ich solle mich persönlich um die Übertragungsrechte für den Opernball kümmern. ETV wolle daraus ein großes Ereignis machen.
    Ich faxte zurück, ob von einem Ball in der Budapester oder Bukarester Oper die Rede sei. Schließlich sei ich für Osteuropa zuständig. Das Papier hatte kaum die Maschine verlassen, da war Michel Reboisson persönlich am Telefon. Wir brauchten ein großes europäisches Gesellschaftsereignis, Osteuropa miteingeschlossen. Wien sei in dieser Hinsicht entwickelbar, weil die Stadt immer noch einen guten Ruf als Musikmetropole genieße und weil sie von der geographischen Lage her am geeignetsten sei, auch die Reichen Osteuropas anzulocken. ETV Paris würde sich um attraktive Lockvögel aus Aristokratie und Showprominenz kümmern. Meine Aufgabe bestehe einzig und allein darin, bei der zuständigen Stelle um die Übertragungs- und, so weit wie möglich, auch Gestaltungsrechte zu pokern.
    »Überzeugen Sie die Direktion, daß wir den alten Kasten an der Ringstraße zu einem kulturellen Mittelpunkt Europas machen können.«
    Ich ging zum Direktor des Bundestheaterverbands, jenem Mann, der sich seit meiner Ankunft in Wien mit Freikarten meiner Weiterbildung angenommen hatte. Er schloß für einen Moment die Augen, als müsse er die Ungeheuerlichkeit meines Ansinnens erst verdauen. Dann griff er in seinen Hemdkragen und zog daran.
    »Das ist ein Sakrileg«, sagte er. »Wir sind eine staatliche Anstalt. Nicht mit dem öffentlichen Rundfunk zu kooperieren wäre, na, sagen wir, politisch inopportun. Sie verstehen, was ich meine. Im Prinzip sind Sie zwar an der richtigen Stelle, aber der Minister würde mich lynchen, wenn ich darauf auch nur irgendeine Antwort gäbe, ohne ihn vorher zu fragen.«
    So widerlich mir diese ganze Opernball-Geschichte auch war, nach dem Gespräch mit dem Direktor hatte ich eine gute Idee. Ich rief Michel Reboisson an.
    »Blendend«, sagte er. »Wird sofort gemacht.«
    Ein paar Tage später ging ich in einem Haus am Minoritenplatz eine barocke Stiege hinauf und folgte den Wegweisern, an Festsälen und Standaschenbechern vorbei, zum Ministerbüro. Ich war mit dem Kunstminister, einem jungen Mann mit ausgefeilten Manieren, gelegentlich zusammengetroffen. Einmal hatte er mir geschmeichelt: »Wenn heute in Jugoslawien UNO-Truppen stationiert sind, dann ist das zu einem guten Teil Ihrer

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