Opernball
sagte: »Nichts auf der Welt kann diesen Bund zerstören. Harmagedon wird ihm Ewigkeit verleihen.«
Damit war unser Treffen beendet. Was Harmagedon war, sollte sich uns erst nach und nach enthüllen.
Der Geringste sagte: »Wir verlassen den Ort in der umgekehrten Reihenfolge des Eintreffens. Und vergeßt nicht, Eure Hände im Gras abzustreifen. Erste Regel: Unauffälligkeit.«
Als der Lange ging, begannen wir von früher zu reden. Der Polier sagte: »Die Polizei hat alles auf den Kopf gestellt. Der High-Tech-Raum sieht aus wie eine Trümmerhalle. Aber die Geräte wurden nicht beschlagnahmt. Was wir brauchen, kann ich herbeischaffen.«
Rappottenstein, das war unsere Jugend. Wir erinnerten uns an die Wochenenden im Schießkeller, an die Totenmessen und an die Gelage im Hof. Der Geringste sagte: »Dieses Paradies ist für uns verloren. Wir werden ein größeres und dauerhafteres schaffen.«
Die Viertelstunde war schnell um, und ich mußte gehen.
Der Kontrakt
Fred war Kameraassistent in der Klatschabteilung. Um uns alle Diskussionen über Bevorzugung oder Benachteiligung zu ersparen, hatten wir uns darauf geeinigt, daß er nicht in meinem Team arbeitet. Die Abteilung Gesellschaftsreportage, wie sie sich selbst nannte, konnte ihn brauchen. Am Vormittag besuchte er, mit erstaunlicher Regelmäßigkeit, an der Universität einen Deutschkurs für Ausländer. Hin und wieder verschlief er. Er wollte nicht, daß ich ihn wecke. Am Abend war er mit den beiden Gesellschaftsreportern unterwegs. Er kam erst spät in der Nacht heim, meist betrunken. Manchmal brachte er Freunde mit. Dann war es laut. Ich wachte auf und hörte, obwohl ein Zimmer dazwischen lag, die Bässe gegen die Wand trommeln, zwischendurch ein Auflachen. Ich konnte es regelrecht fühlen, wie die Alkoholvorräte schwanden, so als würden sie meinem Körper entzogen. Freds Freundinnen und Freunde hatten einen unbestechlichen Sinn für die teuersten Weine.
Im großen und ganzen kamen wir zu Rande. Die Wohnung hatte hundertfünfzig Quadratmeter, wir konnten einander aus dem Weg gehen. Fred kaufte sich ein Auto. Wenn er frei hatte, war er meist irgendwo unterwegs. Mehrfach kündigte ich an, in Zukunft für Miete und Lebensmittel Geld zu verlangen, ohne es aber dann wirklich einzufordern. Von selbst kam Fred offenbar nicht auf die Idee, etwas zum gemeinsamen Haushalt beizutragen.
Bei unserem ersten großen Krach ging es um ein Coq au vin. Es ging um mehr, aber das Coq au vin war der Anlaß.
Ich hatte Gabrielle zum Abendessen eingeladen. Leider stellte sich heraus, daß ich an diesem Tag länger im Studio bleiben mußte. So bereitete ich das Essen schon in der Früh. Einen Tag in Bordeaux zu baden, dachte ich, kann dem Huhn nur guttun. Einzig die Champignons wollte ich erst beim Aufwärmen dazugeben, damit sie nicht zu weich würden und ihren Geschmack verlören. Als ich nach der Arbeit abgehetzt in die Wohnung kam, fand ich am Küchentisch dreckiges Geschirr, die Reste eines opulenten Mahls. Das Coq au vin war aufgegessen. Lediglich die Champignons standen, fein geputzt, auf dem Fensterbrett. Ich ging mit Gabrielle in ein Restaurant. Langsam legte sich meine miese Laune. Wir sprachen über die Neonazis und den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg von Jup Bärenthal. Ich sagte, daß in London die Rassisten viel gewalttätiger seien als hier. Sie erinnerte mich an den Gürtelhausbrand vor einigen Jahren. Damals, sagte sie, sei sie drauf und dran gewesen, die Koffer zu packen. Später interessierte sie sich für meine Eltern. Auch Verwandte von ihr waren ins englische Exil gegangen. Wir versuchten herauszufinden, ob es gemeinsame Bekannte gab, und stießen dabei auf den Maler Buck Dachinger, den Gabrielle allerdings nur vom Hörensagen kannte. Sie sammelte Bilder von Wiener Aktionisten. Mit Jan Friedl war sie befreundet. Schon lange wolle sie ihm ein Bild abkaufen, aber er habe sich hoffnungslos einem Brotfabrikanten ausgeliefert, der die Hand auf alle seine Werke halte. Manchmal nahm ich, während sie sprach, die Finger ihrer linken Hand und streichelte sie. In der rechten Hand hielt sie meist eine Zigarette. Wenn sie lachte, bildeten sich unter ihren Augen Tausende kleine Fältchen. Sie beugte den Kopf zurück und streifte ihre langen, schwarzen Haare aus dem Gesicht. Später begleitete ich sie heim. Die Wohnung war vollgehängt mit Bildern von Günter Brus und Hermann Nitsch. Während sie mir in der Küche einen Bourbon mit Eis einschenkte, horchte sie den
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