Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
Vom Netzwerk:
zurückschicken. So atheistisch können die gar nicht sein, daß sie nicht beleidigt sind, wenn Frauen von der Priesterzunft ausgeschlossen werden.
    Thomas, mein Ältester, ist vom Traunstein gefallen. Es war ein Unfall. Seine Verlobte war dabei. Kennen Sie den Traunstein? Er ist im Grunde nicht schwer zu begehen. Aber es gibt da ein paar sehr steile und verdammt enge Stellen. Daneben fallen die Felsen fast senkrecht ab. Wer ausrutscht, hat keine Chance. Ich frage mich: Warum gerade er? Fragen Sie sich das auch bei Ihrem Sohn? Es gibt keine Antwort darauf, aber gerade deshalb wird man die Frage nicht los. Sie verfolgt einen. Der Traunstein wird jährlich von Hunderten bestiegen. Warum mußte gerade er ausrutschen? Sie kennen das. Hatten Sie ein gutes Verhältnis zu Ihrem Sohn? Ich leider gar nicht. Und dann kommt mir der Gedanke: Vielleicht hat er es absichtlich gemacht. So absurd das klingt, zumal es den Angaben seiner Verlobten vollkommen widerspricht, ich leide immer wieder unter dieser Vorstellung. Manchmal träume ich von Thomas. Immer sind es Alpträume. Sein Unfall erscheint mir manchmal wie eine Anklage, oder wie eine letzte Rache, der man nichts mehr entgegenstellen kann. In die ganze Welt habe ich ihn studieren geschickt. Ich habe gehofft, er würde sich etwas anderes suchen. Er war aufgeweckt, damals noch voller Interessen, aber von Anfang an geizig wie sein Urgroßvater. Seine Interessen schienen sich zusehends auf ein einziges einzuschränken:
    Alles, was er tat, verstand er als Einübung in das Management der Brotfabrik. Ein Sohn, ganz nach dem Geschmack eines Direktors, aber nicht nach meinem Geschmack. Ich hätte ihm entweder gleich alles überschreiben oder ihn mit allen Mitteln von der Firma fernhalten müssen. Alles andere konnte nur ein Unglück werden. Als er in Frankreich studierte, stand er eines Tages überraschend mit einer Verlobten vor der Tür. Keine Französin, sondern ein braves Mädel aus Hietzing, das zu meiner damaligen Frau Küß die Hand sagte. Aber das erste, was er tat, als er hereinkam, war nicht, mir seine Verlobte vorzustellen, sondern er fragte: »Wie stehen die Finanzen?«
    Ich dachte zuerst, das sei ein versteckter Hinweis auf seine bevorstehende Hochzeit.
    »Wenn Ihr Euch ein Haus in Honolulu bauen wollt«, antwortete ich, »werden wir das hinkriegen.«
    Aber da lag ich gründlich daneben. Er dachte gar nicht an Hochzeit. Er hatte sich auch nur verlobt, weil die Mutter seiner Freundin, eine Hofratsgattin, auf anständige Verhältnisse Wert legte. In Wirklichkeit war er längst mit der Firma verheiratet. Sie war der Mittelpunkt seines Lebens. Ich beging einen schweren Fehler, indem ich nachgab und ihn Schritt für Schritt in die Geschäfte einweihte.
    Wie ein Geier war Thomas hinter allen Ausgaben her. Irgendwann konnte ich ihm die Beträge, die ich in Kunstskandale investierte, nicht mehr verheimlichen. Er war entsetzt. Er hielt mich für verrückt.
    »Wenn das Geld schon nicht von der Steuer absetzbar ist«, meinte er, »muß es doch wenigstens mit einer Werbung für die Brotfabrik verbunden sein.«
    Ich versuchte ihm zu erklären, daß man für den eigenen Vorteil auch in die Zukunft einer Gesellschaft investieren müsse, und dabei spiele das Firmenlogo überhaupt keine Rolle. Meinem Sohn war diese Logik zu verschroben.
    »Du investierst in Kunst«, sagte er, »aber nicht ein einziges Bild hängt an der Wand. Dein Geld ist totes Kapital. Es verpufft im Wind, und Du mußt auch noch darauf achten, daß Dich dieser Wind nicht eines Tages verweht. Das erzbischöfliche Palais zählt zu unseren Stammkunden.«
    »Dann habe ich deren Geld sinnvoll ausgegeben«, antwortete ich. Doch mit Thomas war nicht zu scherzen. Er drohte mir mit der Presse. Letztlich war er zu gierig, um es wirklich zu tun. Bei Cognac und Whisky war der Konflikt nicht zu lösen. Wir gönnten uns einen Tennisnachmittag bei einem Bekannten in Grinzing, der einen Sportplatz besitzt, oben an der Himmelstraße. Da konnten wir uns in aller Ruhe anschreien. Das Dienstmädchen, das uns Getränke anbot, verstand nur englisch, und die Bauern drüben an den Hängen des Kahlenbergs waren mit ihrer Ernte beschäftigt. Auf diesem Sportplatz hatte ich Thomas einst die ersten Bälle zugeworfen. Wenn er gut zurückspielte, bekam er einen Dollar, traf er schlecht, zog ich ihm einen ab. Ich hatte es natürlich in der Hand, sein Dollarkonto in bescheidenem Rahmen zu halten.
    Jetzt war ich chancenlos. Das war gut, denn im Erfolg

Weitere Kostenlose Bücher