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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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die Ordnung von einem Polizeihund wiederherstellen zu lassen.
    Ich lud Jan Friedl zum Mittagessen in ein japanisches Restaurant ein. Es wurde ein mühsames Gespräch. Jan war zweifellos der radikalste Feminist in Wien. Er begriff seinen Aktionismus als Feminismus. Die Projekte sprudelten aus ihm heraus, bunt durcheinander. Sein Kopf war voll davon. Meine Brotfabrik hätte er am liebsten in die Luft gejagt, als ich ihm den Stundenlohn unserer Arbeiterinnen nannte. Ich sagte: »Und wenn ich dem Hund regelmäßig ein paar Tausender zu fressen gebe?«
    Da blickte er mich lange an, vollführte ein paar eckige Bewegungen.
    »Das geht nicht. Dann bin ich erledigt.«
    »Heimlich«, sagte ich.
    Darauf Jan Friedl: »Dann bin ich heimlich erledigt.«
    Bevor wir auseinandergingen, gab ich ihm meine Visitenkarte.
    »Denken Sie darüber nach«, sagte ich. »Mir gefallen Ihre Projekte. Wenn Sie einen Sponsor brauchen, rufen Sie mich an. Warten Sie, ich schreibe Ihnen noch meine Privatnummer drauf.«
    Er bedankte sich wie ein netter Junge. Am Schluß wiederholte er sich: »Ihre Brotfabrik gehört in die Luft gejagt!«
    »Eigentlich schon«, antwortete ich. »Aber meine Arbeiterinnen würden dann für Sie lebenslänglich verschärften Zwinger verlangen, bei Kloakenwasser und trockenen Hundekeksen. Und wer sollte Sie in solchem Zustand noch sponsern?«
    Als er forteilte in seinem langen, schwarzen Schnürlsamtmantel, der hinten vom Dreck der Schuhabsätze bespritzt war, ging ich zu meinem Türken hinüber. Der rief, wie immer, wenn ich nach dem Mittagessen aus einem fingerhutgroßen Kupfertäßchen Kaffee trank, meinen Chauffeur an. Ich war mir ziemlich sicher, daß Jan Friedl sich melden würde. Er hatte Unmengen von Sushi gegessen.
    Ich muß gestehen, an Kunstskandalen habe ich meine wahre Freude. Es gab in den letzten fünfzehn Jahren kaum einen, in dem nicht mein Geld steckte. Natürlich konnte es passieren, daß irgendwelche Bezirksrichter die Aufführung eines Stücks untersagten, weil es ihnen zu pietätlos war. So etwas war kein Skandal, sondern eine Blödheit. Aber die wirklichen Skandale, die einer gründlichen Vorbereitung bedurften, sind auf meinem Geld gewachsen.
    Erinnern Sie sich, als vor einigen Jahren eine Prozession von Priestern und Ministranten in den Stephansdom einzog? Drinnen verbeugten sie sich dreimal vor dem Hochaltar, drehten sich um und öffneten die prachtvollen Meßgewänder. Die entsetzte Katholikenschar und einige Touristen blickten auf nackte Frauenkörper mit blutverschmierten Beinen. Meßgewänder kann man im Handel kaufen. Zum Beispiel gleich neben der Vinothek am Stephansplatz. Sie kosten bloß verdammt viel Geld. Aber ich brauchte ohnedies Meßgewänder für die Nikoläuse, die ich am Wochenende um den sechsten Dezember unseren Firmenangestellten als kleines Extra zur Verfügung stelle. Niemandem ist bisher aufgefallen, daß die Meßgewänder unserer Nikoläuse die Meßgewänder der Skandalpriesterinnen gewesen sind, obwohl sie hundertfach in Zeitungen abgebildet waren.
    Warum ich Skandale finanziere? Weil sie die Gesellschaft weiterbringen. Wissen Sie, ich bin ein konservativer Mensch. Meine Brotfabrik ist ein traditionsreiches Unternehmen. Mehrmals in diesem Jahrhundert wurde sie von hungernden Massen geplündert. Bei einem blutigen Streik in den zwanziger Jahren ist mein Großvater nur knapp einem Anschlag entkommen. Die hatten in den Spülkasten der Cheftoilette eine Bombe eingebaut. Durch das Betätigen der Spülung, damals mußte man noch an einer Strippe ziehen, sollte sie gezündet werden. Nun war mein Großvater ein sparsamer, ich würde sagen, geiziger Mensch, so geizig, daß er nach dem Urinieren kein Wasser nachspülte, weil er das für Verschwendung hielt. Außer ihm benutzte nur noch der Prokurist die Cheftoilette. Gott hab ihn selig.
    Bevor die Leute Bomben werfen oder in ihrer Verzweiflung Bischöfe abmurksen, sollen sie sich lieber in der Kunst austoben. Wenn sie Glück haben, kriegen sie dabei sogar ihre Botschaft durch, was bei Anschlägen so gut wie nie der Fall ist. Das ist der Grund für mein Engagement. Dem Banausen reicht das Lob der Medien, und er fühlt sich am Höhepunkt seiner Karriere, wenn er den Staatspreis kriegt. Das Genie sucht die Konfrontation. Jan Friedl war ein Genie. Das sind Menschen, die nicht zwischen privat und öffentlich unterscheiden können. Die fühlen sich persönlich verstoßen, wenn die Behörden einen fahnenflüchtigen Ausländer ins Kriegsgebiet

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