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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Begräbnisunkosten abgenommen. Jetzt weiß ich, warum sie immer beteuerte, daß ihr das peinlich sei. Sie war mit von der Partie.
    Eine Zeitlang hat sich Jan Friedl in Paris herumgetrieben. Natürlich mit meinem Geld. Aber er brachte eine Menge Bilder mit, die ich alle kaufte. Die beiden Paris-Jahre haben ihm gutgetan. Er kam zurück und hatte plötzlich einen legendären Ruf. Kaum jemand stieß sich noch an seinen früheren Provokationen. In Ljubljana wurde ihm eine halbe Professorenstelle angeboten. Sie war schlecht bezahlt, aber er nahm sie an, ohne zu zögern. Das hat selbst mich überrascht, wie schnell das ging. Diese Stelle hat er übrigens nie aufgegeben. Selbst als er zum Leiter des Wiener Teils der Sammlung Ludwig bestellt wurde, wie ich zugeben muß, nicht ohne daß ich meinen ganzen Einfluß geltend gemacht hätte, verbrachte er zwei Tage in der Woche in Ljubljana. Das war nicht weiter schlimm, war ihm doch ein guter Kurator an die Seite gestellt. Was ich jedoch nicht wußte: Jan Friedl unterhielt in Ljubljana auch ein Atelier und scheint sich mehr dort als in der Akademie aufgehalten zu haben. Das Atelier war vollgestopft mit Werken, die, folgt man der zweifelhaften Signatur, angeblich von Jan Friedl in den letzten zwölf Jahren geschaffen worden waren.
    Ich bewahre seit langem alle meine Terminkalender und einen Teil der Privatkorrespondenz auf. Nicht gerade so, daß die Finanzbehörde darauf Zugriff hat. Aber es gibt diese Unterlagen. Auch wenn ich dadurch so nebenher einiges preisgeben muß, was nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war: Anhand dieser Unterlagen kann ich beweisen, daß die angeblichen Originale von Jan Friedl entweder nicht von ihm stammen oder nicht in Ljubljana geschaffen wurden. Es würde mich nicht wundern, wenn seine gierige Lebensgefährtin in ein paar Jahren mit Jans Pariser Werken daherkommt, von denen ich bislang annahm, daß ich sie alle gekauft habe.
    Im Grunde wäre das eine Nebensache. Jan Friedl war ein Spieler, das wußte ich. Und das war es ja, was mich an ihm fasziniert hat. Aber ich hätte ihm nicht zugetraut, daß er mich regelrecht aufschlitzen wollte. Die bei der letzten Verhandlung vorgelegten graphologischen und chemischen Gutachten waren verheerend. Seither traue ich Jan Friedl alles zu. Ich saß da, der Anwalt nahm mich bei der Hand, und ich hätte nur noch schreien mögen. Oder weinen. Mit einem Mal wurde mir eine langjährige Freundschaft um die Ohren geschlagen, an die ich immer geglaubt hatte. Ist das Fundament untergraben, stürzt alles ein. Nichts bleibt. Nur eine Erkenntnis, auf die ich gerne verzichtet hätte: Freundschaft ist das größte menschliche Desaster. Sie funktioniert auch in der Lüge, im Verrat. Jedenfalls, solange man nichts davon ahnt.
    Die gerichtlichen Gutachten besagten, daß die Unterschrift auf dem Vertrag, den Jans Lebensgefährtin vorgelegt hat, aller Wahrscheinlichkeit nach von mir stamme, mit Sicherheit aber aus meiner Füllfeder. Nach genauer Prüfung fanden sich keine Indizien dafür, daß an dem Vertrag etwas manipuliert worden sei. Tatsächlich war der Vertrag mit demjenigen, den ich in Händen hielt, in allen Punkten identisch. Mit einer Ausnahme. Im Abschnitt »Vorkaufsrecht« enthielt der andere Kontrakt die zwei zusätzlichen Wörter »in Wien«. Mein Vorkaufsrecht war nach dieser Version nur für die von Jan Friedl in Wien geschaffenen Werke gültig. Da war es nur folgerichtig, wenn sich schließlich herausstellte, daß Jan Friedl den überwiegenden Teil seiner Werke in Ljubljana geschaffen hat, oder hat schaffen lassen, oder sie dorthin hat schaffen lassen. Ich komme mir vor wie einer, der um ein Schwein kämpft, das er selbst gemästet hat.
    Zum Ball. Ich bin dort Stammgast, habe eine Stammloge. Nicht ich frage bei der Gnädigen Frau nach, sondern sie schreibt mir jedes Jahr, gleich nach ihrem Urlaub um Ostern herum, ein nettes Briefchen mit der Frage, ob ich ihr wieder die Ehre geben werde und wie viele Karten sie für mich reservieren dürfe. Seit Jahren ist es meine Gewohnheit, ich sollte besser sagen: war es meine Gewohnheit, je einen Künstler und einen Geschäftspartner mit Begleitung zum Opernball einzuladen. Diesmal, so wurde bei der TV-Übertragung berichtet – Sie erinnern sich sicher daran –, hätte ich auf einen Geschäftspartner verzichtet und statt dessen zwei Künstler eingeladen.
    Das war ein Irrtum. Mein Geschäftspartner hieß Jan Friedl. Aber das konnten Sie damals nicht wissen. Sie wußten es?

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