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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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Flaschenhaltern hing ein Jolly Roger, und zwischen zwei Flaschenreihen reflektierteein Spiegel mit der amerikanischen Südstaatenflagge das bärtige Gesicht des Barkeepers, der gerade ein Glas hochhielt und Bourbon hineinlaufen ließ. Zwei Männer lehnten mit dem Rücken zu Gray an der Bar. Sie trugen schwarze Lederjacken, darüber Jeanswesten, auf denen die Flaggen und Insignien ihrer Rocker-Clans aufgenäht waren – Totenköpfe, Flügel, Domino-Steine, Würfel, aufgebäumte Kobras und nackte Frauen. Alle von einem Schmutzfilm überzogen, der bewies, dass sie keine Neulinge waren. Zu ihren Füßen lagen zwei Halbschalenhelme.
    Die Nischen links und rechts nahmen den meisten Platz ein, und Gray ging langsam, gebeugt und eine Hand an der Stirn weiter in den Raum hinein, um zu sehen, wer dort saß. Die erste Sitzgruppe war leer. In der zweiten saßen ein paar Jungs von der örtlichen Kunsthochschule, was er an ihren langen 50er-Jahre-Mänteln und Haartollen wie auch an den Tabakpäckchen auf dem Tisch erkannte. Die vier befanden sich mitten in einer bierernsten Diskussion über John Peels Sendung vom letzten Abend, und keiner von ihnen schaute hoch, als Gray vorbeiging.
    Weiter hinten krachte eine Billardkugel ins Loch, und jemand jubelte. Einer der Biker an der Bar schaute auf, sah Gray im Spiegel und drehte sich um. Aus der Jukebox dröhnte »Radar Love«.
    Sie saßen im hintersten Winkel des Raums, in der Nische an der Rückwand. Zuerst sah Gray den niederländischen Seemann, dessen schmales Gesicht er sofort von dem Foto wiedererkannte. Er saß vorgebeugt, die Arme unter dem Tisch. Als Gray näher heranging, kam Ginas schwarz schimmernde Lockenpracht in sein Blickfeld, die ihr bis auf die Lederjacke fiel. Als er hinunterschaute, sah er, wie Gina mit der linken Hand etwas zwischen sich und die Wand stopfte. Dann drehte sie sich um, und ihr Lächeln erstarb sofort.
    »Was hast Du denn da, meine Liebe?«, fragte Gray, der sich so vor der Nische aufgebaut hatte, dass keiner von beiden ohneWeiteres an ihm vorbeikam, und zeigte ihnen kurz seinen Dienstausweis.
    »Was meinst du, wen du vor dir hast?«, ihre schwarzen Augen funkelten ungläubig.
    »Was ist los?« Der Holländer riss den Kopf hoch.
    Gray hörte etwas heranrauschen und duckte sich instinktiv. Zwei Körper rammten in ihn hinein, und er musste sich an der Holzwand abstützen, um Gina Woodrow nicht auf den Schoß zu fallen. In diesem Sekundenbruchteil sah er sie das Päckchen auf den Boden schieben und rückwärts unter die Bank treten. Sie bewegte sich blitzschnell wie eine Schlange.
    »Polizei!«, rief Kidd hinter ihm. »Keine Bewegung.«
    Dann krachte und klirrte es ohrenbetäubend. Einer der Biker stürzte auf den Tisch der Kunststudenten. Kidd hatte ihm den Arm hinter den Rücken gebogen, bevor er Gray eins mit dem Motorradhelm überbraten konnte. Lautes Geschrei füllte den Raum.
    Gray rappelte sich auf, als der Seemann vom Barhocker sprang und losrennen wollte. Der Polizist hatte keine Zeit zum Nachdenken. Er warf sich auf den Holländer, und sie stürzten zu Boden, als ein Barhocker und mehrere Gläser über ihre Köpfe flogen, gegen die Wand krachten und Holzsplitter, Glasscherben und schäumendes Bier auf sie herabregnete.
    Der Seemann öffnete den Mund, bekam aber keinen Ton heraus. Er sackte unter dem Polizisten zusammen. Gray drückte sich hoch und suchte nach Gina Woodrow, konnte aber nichts als ein Gewirr aus Beinen sehen.
    Kidd drückte einen der Biker mit dem Knie auf einen Tisch, riss ihm die Arme nach hinten und legte ihm Handschellen an, während die Studenten aus ihrer Nische hervorstolperten, sich das Bier von den Klamotten wischten und Glasscherben in den Teppich traten. Blackburn hatte den anderen im Polizeigriff. Der ließ sich aber nicht so schnell unterkriegen und wirbelte im Kreis herum, wobei er Blackburn mitschleifte und einen der jüngeren Kollegen, der zu Hilfe geeilt war, über einen Tischrempelte. Schreie und Flüche schallten durch die Luft, während die Jukebox auf den Höhepunkt des Songs zuwummerte.
    Scheiße noch mal , dachte Gray, hier geht’s ja wirklich ab wie im Wildwest-Saloon . Als er aufstand, flog ihm noch ein Glas am Ohr vorbei, und dann sah er sie, wie sie sich durch die Studenten hindurch Richtung Tür schlängelte. Er sah noch einmal nach dem Holländer am Boden und rannte ihr nach. Auf der Türschwelle erwischte er sie am Arm und schleuderte sie herum.
    Sie nutzte den Schwung, um ihm mit dem freien Arm einen

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