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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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dieser traurigen Geschichte tatsächlich eine Rolle spielt.«
    »Wovon reden Sie«, fragte Sean.
    »Von dem Irrglauben, der sich durchsetzte«, erwiderte sie. »Von der Fehlannahme, Corrine hätte mit schwarzer Magie zu tun gehabt. In die Welt gesetzt von dem Polizisten, der sie festgenommen hat, und von der Presse und tausend Tratschtanten verbreitet. Gray hieß der Polizist.« Sie fixierte ihn mit ihren grünen Augen. »Er hatte sie vorher schon mal mit einem Perversen unter dem Pier erwischt. Damals hatte sie ein Buch bei sich, das den Namen Aleister Crowleys trug, The Great Beast , wie er sich gern nannte. Sie wissen, von wem ich rede?«
    Sean nickte. Auf der Portobello Road gab es einen Laden, der T-Shirts mit einem Bild von ihm verkaufte: ein missmutig blickender alter Glatzkopf mit Pentagrammzeichnungen am Kopf.
    »Gut«, setzte sie fort, »Tja, Gray zog daraus die falschen Schlüsse. Ehrlich gesagt glaube ich nicht mal, dass er ein schlechter Mensch war. Aber er hat seinen Kollegen von dem Buch erzählt, und so, wie Corrine und ihre Freunde sich anzogen, zählte die Polizei eins und eins zusammen und kam auf sechs-sechs-sechs …«
    »Ich hab doch die Tatortfotos gesehen«, protestierte Sean.»Auf den Boden war ein Pentagramm gemalt, mit dem Blut des Opfers. Sie wollen mir doch wohl nicht sagen, dass Rivett sich das ausgedacht hat?«
    Noj richtete sich auf wie eine angriffslustige Kobra. »Sie haben keine Ahnung, wozu dieser Mann fähig ist. Der dreht sich alles so hin, wie er es für seine Zwecke gebrauchen kann.«
    Jetzt musste Sean lachen. »Also bitte«, sagte er und setzte seine Tasse ab, »Sie müssen sich schon was Besseres einfallen lassen, wenn ich Ihnen glauben soll. Bisher haben Sie mir nichts als Kleinkram gegeben, den Sie genauso gut aus der Zeitung haben könnten.«
    Noj schaute auf ihre Hände und spreizte die Finger ab.
    »Machen Sie sich nicht über mich lustig, Sean Ward«, flüsterte sie. »Vergessen Sie nicht, dass Sie ganz alleine in dieser Stadt sind. Sie brauchen alle Freunde, die Sie kriegen können.«
    »Na dann«, erwiderte Sean genauso leise, »erzählen Sie mir mal etwas, was ich gebrauchen kann.«
    Noj schloss die Augen. »Ich werde Ihnen helfen, so gut ich kann«, versprach sie. »Ihre Sorge um Jugendliche auf Abwegen hat mich ernsthaft berührt. Aber Sie dürfen auch nicht vergessen, dass ich hier wohne. Ich weiß nicht, ob ich für Sie sofort alle meine Versicherungen auflösen kann.«
    Sie öffnete die Augen und ließ den Blick auf dem Aquarell an der Wand gegenüber ruhen. Sie hatten ihr anfängliches Leuchten verloren. Jetzt sah sie ihrem Alter entsprechend aus.
    »Sie wissen, dass Rivett im Ruhestand ist?«, fragte Sean.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein«, widersprach sie. »Ein Hai gibt keine Ruhe. Das würde ihn umbringen. Ich habe aber einen Köder für ihn ausgeworfen. Jetzt schauen wir mal, ob er anbeißt.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Sean und rieb sich die Schläfen.
    Noj zuckte die Schultern. »Schauen Sie doch morgen wieder rein, wenn Sie sich ein bisschen weiter informiert haben. Vielleicht glauben Sie mir dann ja.« Sie winkte ab. »Sie wissen, wo die Tür ist.«
    Als er ging, starrte sie weiter das Bild an. Draußen klingelte plötzlich Seans Handy. »Hallo, wo sind Sie?«, fragte Francesca.
    Sean lächelte und freute sich darüber, mit jemand weniger Verrücktem reden zu können. »Nicht weit von Ihrem Büro, falls Sie da sind.«
    »Sie hängen wohl mal wieder im Captain Swing’s herum, was?«, riet sie. »Was Nützliches herausgefunden?«
    »Ich weiß noch nicht«, erwiderte Sean.
    »Tja, ich hab was ziemlich Vielversprechendes herausgefunden. Kommen Sie doch mal zu mir nach oben«, sagte sie mit Mae-West-Stimme.
    »Bin sofort da.«

18
    SEX (THE BLACK ANGEL)
    Februar 1984
    »Meine Herren«, sagte Rivett, »ich habe einen Spezialauftrag für Sie.«
    In der mit Korkstellwänden unterteilten Einsatzzentrale hatte Rivett als Einziger ein geschlossenes Büro mit schalldichten Plexiglasfenstern in alle Richtungen, damit er alles überblicken, ihn aber niemand belauschen konnte. Über seinem großen Mahagonitisch mit den überquellenden Briefablagen hing ein Bild von Mrs Rivett mit ihren beiden jungen Töchtern, die beide offensichtlich nicht nach ihr schlugen. Kräftige, stämmige Mädchen mit kleinen Augen und roten Backen, ein bisschen älter als Grays eigene Kinder, vielleicht elf, zwölf. Ihre Mutter war daneben ein verhuschter Strich in der

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