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Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)

Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)

Titel: Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kibler
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das wusste damals nur er selbst. Also lud er Mattia ein. Die beiden verstanden sich prächtig. Und so kam Mattia 1972 endgültig von Nashville nach Fränkisch-Crumbach. Wir heirateten, und wir liebten uns wirklich. Paula war unser erstes Kind, und es folgten Maria, Elisabeth, Chiara, Giulia und Eleonore.
    Paula war unsere Schwierigste. Bereits als Kind lebte sie in einer Phantasiewelt. Sie war hochintelligent, aber sie war rebellisch, trotzig – schwierig eben. Mit unseren anderen Kindern kam ich besser zurecht. Mattia und Paula jedoch, die verstanden sich. Sicher, auch für Mattia war Paula nicht einfach zu händeln, und sie hat immer wieder mal eine gefangen von ihm. Trotzdem war sie ein Papakind. Ein extrem schwieriges Papakind. Mit acht ist sie das erste Mal abgehauen, kam immerhin bis Brensbach. Mit neun hat sie es schlauer angestellt: Die Polizisten haben sie drei Tage später mit ihrem Pferd unten am Neckar aufgelesen, vierzig Kilometer von hier. In der Schule erzählte sie ständig Räuberpistolen, vom nächtlichen Einbruch im Kuhstall bis hin zu der Story, dass Adolf Hitler noch lebte und drei Tage bei uns untergekommen wäre.
    Ich erzähle Ihnen das alles nur, damit Sie verstehen, warum ich an jenem Samstagabend nicht sofort die Polizei gerufen habe. Sie hat einen Zettel geschrieben und auf den Küchentisch gelegt: Bin Montag zur Schule wieder da. Ich war zu der Zeit bereits froh, dass sie überhaupt einen Zettel geschrieben hatte und offensichtlich auch noch einen weiteren Schulbesuch plante. Einfluss darauf, mit wem sie wann wohin ging – den hatten wir schon lange nicht mehr. Und glauben Sie mir, wir haben das ganze Programm durchgespielt, von Hausarrest über Prügel bis zum Taschengeldentzug.
    Jetzt brauche ich tatsächlich einen Schnaps.«
    Sie füllte ein Schnapsglas bis unter die Kante. »Sie auch?«
    Margot schüttelte den Kopf. Sie musste fahren. Deshalb würde das Glas Wein noch eine Weile vorhalten müssen.
    »Und dann kam der Montag. Und mittags kam keine Paula von der Schule nach Hause. Sie hatte ihre Schulsachen am Samstag schon mitgenommen. Ich rief in der Schule an. Und die sagten mir, dass Paula gar nicht da gewesen war. Das war der Moment, in dem ich Panik bekam. Und Mattia auch.«
    Die Garage war leer, bis auf den Tisch, der in der Mitte fest im Boden verankert war. Und bis auf die Kommode, die sie nicht hinaustragen konnten, da der Tisch im Weg war.
    »Drüber oder nur zur Seite?«, fragte einer der Kollegen.
    »Zur Seite«, entschied Baader. Drei Kollegen wollten das Massivholzmöbel anheben.
    »Scheiße, die ist ja schwerer als eine Waschmaschine!«
    »Auf drei.«
    »Eins – zwei – drei.« Ein Aufstöhnen in dreifacher Ausfertigung zeugte von der erfolgreichen Umsetzung des Vorhabens. Die Beamten gingen einen Meter in Richtung des Tisches. Dort setzten sie die Kommode ab.
    »Was ist das denn?«, fragte Baader. Er zeigte auf eine Ecke am Boden.
    Horndeich leuchtete mit seiner starken Taschenlampe auf den Gegenstand. »Eine Brille. Wenn auch eine ramponierte.«
    »Eine Herrenbrille.«
    Horndeich ging in die Hocke und hob mit behandschuhter Hand das Brillengestell auf, wobei einer der Bügel auf den Boden fiel. Es handelte sich um ein Hornmodell, das etwa in den Siebzigern modern gewesen sein musste. Auch dem ungeübten Auge fiel auf, dass die Brille ziemlich ramponiert war. Horndeich verließ die Garage. Dann hielt er die Brille mit der behandschuhten Hand in die Höhe. »Verdammt!«, sagte er. Er ließ die Brille in einen Plastikbeutel fallen. Hob den Bügel auf und steckte ihn in einen weiteren Beutel. Anschließend ging er ins Haus, in den Raum, in dem Ruth Steiner auf der Couch saß und ein Buch las. Neben ihr, im Sessel, leistete ihr ein Beamter Gesellschaft.
    Horndeich hielt den Beutel mit der Brille vor Ruth Steiners Nase. »Erkennen Sie diese Brille?«
    Ruth Steiner sah von dem Buch auf.
    »Nein. Sollte ich?«
    »Ich denke schon. Ich zumindest glaube, dass ich das Modell erkenne.«
    »Die ersten Beamten waren keine zwanzig Minuten später aus Erbach da«, berichtete Paula Trizzis Mutter. »Als ich ihnen die Geschichte nochmals erzählt hatte, dauerte es keine Stunde, und es wimmelte nur so von Beamten auf dem Hof. Mattia kannte zwei Freundinnen von Paula – oder die das waren, was dem Begriff ›Freundin‹ am nächsten kam. Mit den Phantasiegeschichten, die Paula jeden Tag erzählte, machte sie sich keine Freunde. Und auch keine Freundinnen. Auf jeden Fall fand die

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