Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Danach behinderten die Geiferfetzen auf der Seitenscheibe den klaren Durchblick. Margot beschloss, im Wagen sitzen zu bleiben.
»Django. Hierher«, bellte eine männliche Stimme. Sofort brach der Hund seine Bellorgie ab, drehte sich um und lief auf den Besitzer der Stimme zu. Den konnte Margot durch die Frontscheibe wiederum gut erkennen. Der Mann sah aus wie fast fünfzig. Doch wenn es sich um einen Bruder von Paula Trizzi handelte, musste er jünger sein. Er war vollschlank, trug Jeans, ein Karohemd, und die Art, wie er die Pfeife in der Hand hielt, hatte etwas von Sherlock Holmes. Dazu trug auch die Schirmmütze im Karomuster bei.
»Platz.«
Django legte sich neben den Mann auf den Boden und rührte sich nicht mehr vom Fleck. Der Mann kam auf Margots Wagen zu. Als er direkt danebenstand, traute Margot sich, die Tür zu öffnen und auszusteigen. Der Hund quittierte das mit Nichtbeachtung.
»Guten Abend, mein Name ist Margot Hesgart, Kripo Darmstadt. Ich würde gern mit der Mutter von Paula sprechen.«
»Gibt’s hier nicht. Keine Paula da.« Der Mann zog an seiner Pfeife.
»Ich würde ja auch gern mit ihrer Mutter sprechen.«
»Wenn’s keine Paula gibt, dann gibt’s auch keine Mutter von Paula. Schönen Abend noch.« Er drehte sich um.
»Hallo?«
Sie hatte das Zeichen nicht gesehen, das der Mann dem Hund gegeben hatte. Der schoss wie der Blitz auf sie zu. Margot hechtete in ihren Wagen. Als die Tür ins Schloss fiel, führte Django wieder seinen Geifertanz auf.
Verdammt, das gibt es doch nicht!, dachte Margot und fühlte sich wie in einem bescheuerten Film. Aber sie hatte eine Waffe gegen den Hund. Ihre Hupe.
Als sie deren Töne in den Ring warf, mischte sich für einen kurzen Moment ein Japsen unter das Bellen des Hundes. Die Fanfare hallte zwischen den umstehenden Wänden hin und her, potenzierte so ihren Lärm und brachte sogar Hundi dazu, sich fünf Meter zu entfernen.
Es dauerte immerhin fast zwanzig Sekunden, bis der namenlose Sherlock-Verschnitt wieder auf der Bildfläche erschien. Margot nahm die Finger von der Hupe. Was ihr besonders Django dankte. Der lief mit eingekniffenem Schwanz zu seinem Herrchen. Winselnd.
Als Margot abermals die Tür öffnete, hörte sie irgendwo ein Baby schreien.
»Sie haben nicht mehr alle Tassen im Schrank, was?«, brüllte der Mann sie an.
»Ich will, verdammt noch mal , mit Frau Trizzi sprechen«, brüllte Margot zurück. Manchmal war es durchaus angebracht, sich auf das Kommunikationslevel seines Gegenübers zu begeben.
»Hauen Sie ab, oder ich hole die Polizei!«, schrie Sherlock.
Margot rollte mit den Augen. »Die – steht – gerade – vor – Ihnen!«, kreischte sie zurück. Es war wie in einem Heim für Hörgeschädigte.
Eine ältere Dame erschien in der Haustür, aus der zuvor Sherlock getreten war. »Führ sie herein«, sagte sie und verschwand wieder im Haus.
Offenbar war ihr Wort Gesetz. Denn Sherlock sagte nun in normaler Zimmerlautstärke: »Kommen Sie mit.«
»Danke.« Margot räusperte sich. Djangos Blicke folgten ihr. Aber er gab keinen Mucks mehr von sich.
Sherlock begleitete Margot in das Wohnhaus. Eine Holzstiege führte in den ersten Stock. Von dort ging es durch eine Tür in die Wohnung, die offenbar der älteren Dame gehörte. Sherlock geleitete sie in die Küche.
»Warten Sie hier«, sagte er nur, dann verschwand er.
Margot sah sich um. Es schien, als hätte eine Zeitmaschine sie hierhergebracht. Schon die zweite Zeitmaschine in Fränkisch-Crumbach. Die Küche sah aus wie ein Museumszimmer mit der Aufschrift: Küche der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Der mannshohe Kühlschrank hatte sogar noch einen dicken horizontalen Chromgriff und eine geschwungene Prägung des Firmennamens Bosch . Allein die Senseo-Kaffeemaschine zeugte von der Ankunft in der Gegenwart.
Margot setzte sich an den Tisch. Wenig später trat die Dame ein, die sie im Hof bereits gesehen hatte.
»Entschuldigen Sie das forsche Auftreten von Nils. Er hat Paula nie kennengelernt. Ich bin Margarete Trizzi. Paulas Mutter. Den Namen meiner Tochter habe ich lange, lange nicht mehr gehört …«
Margot stellte sich vor, dann nahm auch Frau Trizzi an dem Küchentisch Platz. Sie sah sich um, schmunzelte. »Muss Ihnen wie ein Museum vorkommen. Aber ich mag Veränderungen nicht so. Die Wohnungen der Kinder und unsere Gemeinschaftsräume sind moderner.«
Auch die Kleidung der Frau zeugte davon, dass sie modischen Sperenzchen nichts abgewinnen konnte. Sie trug
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