Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
nicht möglich gewesen.«
»Sondern?«
»Am Knöchel ihres linken Beins hatte sie einen Eisenring. Daran ein Stück Kette. Diese Kette war einen halben Meter lang und offenbar mit einer Axt durchschlagen worden. Und das war der Grund, weshalb die vier aus dem Schneider waren: Seit Montag waren sie auf Klassenfahrt am Edersee, also fast zweihundertfünfzig Kilometer weit weg. Daran gab es auch nie einen Zweifel, denn meine Kollegen waren ja Tag und Nacht mit den jungen Männern zusammen. Hätten sie Paula Trizzi befreien wollen, sie hätten spätestens am Mittwochmittag losfahren müssen – aber zu der Zeit waren sie eben in der Jugendherberge am Edersee.«
»Hat denn Paula Trizzi nicht gesagt, wer ihre Peiniger gewesen sind?«
»Soweit ich weiß, hat Paula Trizzi gar nichts gesagt. Sie hat überhaupt nicht gesprochen nach der Tat. Ich kenne die Details nicht. Aber ihr Zustand muss sehr schlimm gewesen sein.«
»Der Täter ist nie gefasst worden«, dachte Margot laut nach.
»Nein. Sie haben ihn nie gekriegt. Was aus Paula Trizzi geworden ist, das weiß ich auch nicht.«
»Haben Sie mit den Jungen über den Fall gesprochen?«
»Nein. Nachdem klar war, dass sie Paula Trizzi nicht befreit haben konnten, nicht mehr. Sie waren immer nur zu viert gewesen, nie zu fünft.«
»Wo wohnt Paula Trizzis Mutter?«
Wuttke nannte die Adresse. Margot kannte den Namen der Straße bereits. Dort stand ein paar Hundert Meter entfernt das Haus von Ruth Steiner.
Horndeich hatte sich das Ganze anders vorgestellt. Er war davon ausgegangen, dass sie in dem Haus irgendeinen Gegenstand finden würden, der einem der Opfer gehörte. Etwas wie ein zerrissenes Männerhemd, eine Visitenkarte von Wölzer oder Ähnliches, was Ruth Steiner mit den Morden und dem Verschwinden Kaufmanns in Verbindung bringen würde.
Aber da war nichts.
Gar nichts.
Nun wollten sie sich noch die Garage vornehmen. Die war voller Gerümpel: zwei Rasenmäher, von denen keiner seinen Job mehr würde erfüllen können; ein paar Plastikkisten mit der Aufschrift KNOE, also von dem Buchgroßhandel, an den der Buchladen angeschlossen war; zwei Kommoden, ein Schrank, ein Tisch in der Mitte des Raumes. Horndeich schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er das Garagentor geöffnet hatte.
Zwar wollte er unbedingt etwas finden. Aber er wollte auch unbedingt nach Hause. So kämpften zwei Seelen in seiner Brust. Die Seele, die Ruth Steiner festnageln wollte, gewann. Was nicht zuletzt daran lag, dass Margot seine Meinung in Bezug auf Ruth Steiner nicht teilte. Es kam nicht sehr oft vor, dass ihre grundsätzliche Einschätzung nicht auf einer Wellenlänge lag. Aber wenn, dann lagen sie oft meilenweit auseinander. Wie jetzt.
»Alles raus. Sucht den Boden Millimeter für Millimeter ab.«
»Jetzt?«
Horndeich verdrehte die Augen. »Nein. Wir müssen doch diese doofe gewerkschaftlich festgelegte Pause zwischen neunzehn und dreiundzwanzig Uhr einhalten. Aber dann … Natürlich jetzt!«, bellte er.
»Mann, Horndeich, das geht dann bis in die Nacht.«
»Echt?«
Baader stellte sich dazu: »Wirklich jetzt? Wir können doch Montag wiederkommen. Und uns dann den ganzen Tag Zeit nehmen. Du hast doch sicher noch ein paar dieser knuffigen Polizeisiegel.«
»Passt auf: Ich sage, wir finden hier was. Wenn ich nicht recht habe, bekommt jeder, der jetzt hierbleibt, eine Kiste Bier von mir.«
Ein Raunen ging durch die Reihe der Beamten.
»Ich mach Schluss jetzt«, raunte Baader.
»Okay, für den Ober-Spusi eine Kiste extra.«
Einige der Beamten fingen an zu grinsen.
»Und wer das entscheidende Stück findet, der bekommt noch einen Kasten extra.«
»Hey, das ist ungerecht. Nur weil einer was gefunden hat.«
Kindergarten, dachte Horndeich. Aber er wollte seinen Triumph. Heute. Nicht morgen. »Jeder, der was findet, einen Kasten extra.« Es waren Sätze wie dieser, die auf einmal hektische Betriebsamkeit auslösten.
Horndeich schmunzelte. Die hundert Euro waren es ihm wert. Und wenn er nicht recht hatte, dann hatte er wenigstens auf ganzer Linie verloren.
Margot lenkte den Wagen auf den Innenhof des Gehöfts. Den Hof umschlossen ein Wohnhaus, Ställe, Scheune und der Unterstellplatz für Trecker, Maschinen und Autos.
Ein Hund bellte und schoss auf Margots Wagen zu. Ein schwarzer Labradorrüde. So, wie der Hund sie in ihrem Wagen anbellte, hätte sie bei entsprechendem Veterinärmedizin-Studium locker seinen Zahnstand bestimmen können. Zumindest in den ersten Sekunden.
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