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Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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sollte.
    Lena streifte im Flur, in dem sich größtenteils unausgepackte Kisten türmten, ihre nassen Turnschuhe ab. Noch immer ein wenig verwirrt, begrüßte sie ihren gescheckten Kater Napoleon, der sie bereits sehnsüchtig erwartet zu haben schien und sich maunzend zwischen ihren Knöcheln schlängelte. Lena hob ihn hoch und streichelte ihn kurz.
    »Nett haben Sie’s hier«, sagte Drescher, der ihr gefolgt war, und nahm seine Kapuze ab, so dass sein lichtes braunes Haar zum Vorschein kam.
    »Ist noch alles etwas provisorisch. Ich bin noch nicht zum Auspacken gekommen.« Sie setzte den Kater ab und führte Drescher ins Badezimmer. In Wahrheit konnte sie sich nicht vorstellen, in diesen vier Wänden die nächsten Wochen oder gar Monate zu verbringen. Obwohl sie schon öfter mehr oder weniger freiwillig umgezogen war, tat sie sich noch immer schwer damit, sich an neue Umgebungen zu gewöhnen. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie in den nächsten Wochen ohnehin nur zum Schlafen herkommen; die Ermittlungen zur laufenden Mordserie, in die Drescher sie von morgen an als Profilerin mit einbinden und die sie rund um die Uhr auf Trab halten würden, waren schon jetzt eine echte Herausforderung. Lena steckte bereits mitten in den Vorbereitungen zum Fall, und ihre Gedanken kreisten seit Tagen kaum mehr um etwas anderes.
    »Wo um alles in der Welt haben Sie gesteckt?«, fragte Drescher, während Lena eine Flasche Jod und Verbandsmaterial aus dem Spiegelschrank über dem Waschbecken nahm. »Ich war joggen.«
    »Verdammt, Peters – ich habe versucht, Sie zu erreichen –, hatten Sie denn kein Handy dabei?«
    Drescher stand jetzt unmittelbar hinter ihr. Lena, die sich längst an den rauen Ton bei der Polizei gewöhnt hatte, drehte sich um. »Nein«, sagte sie knapp und tupfte ihm mit einem jodgetränkten Wattebausch die blutige Nase ab, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass bereits der Anblick weniger Blutstropfen Übelkeit auslöste und ihr das Gefühl gab, keine Luft mehr zu bekommen.
    Mit einem Schlag kam die Erinnerung an damals in ihr hoch. An das brennende Autowrack, in dem sie mit ihrer Zwillingsschwester Tamara auf der Rückbank eingequetscht gewesen war.
    Blut.
    Überall war Blut.
    Und Rauch.
    Und Glassplitter von zertrümmerten Scheiben.
    Ihre Mutter hatte bewusstlos auf dem Beifahrersitz neben ihrem Vater gelegen. Und noch während die Einsatzkräfte der Feuerwehr dabei gewesen waren, sie und Tamara aus dem Wrack zu befreien, hatte Lena die blutüberströmte Hand ihrer Mutter ergriffen. Sie nicht mehr loslassen wollen. Selbst dann nicht, als die Flammen auf ihre Mutter übergesprungen waren. Kaum hatten die Feuerwehrmänner Lena aus den Trümmern gezerrt, war der Wagen explodiert.
    Für ihre Eltern war jede Hilfe zu spät gekommen. Der Unfall lag inzwischen rund zwei Jahrzehnte zurück, doch das Blut an ihren Händen hatte Lena zeitweise noch heute vor Augen.
    »Wieso nicht?«, fragte Drescher und musterte sie über den Rahmen seiner schmalen Brille hinweg.
    Die Frage riss Lena aus den Gedanken und brachte sie abrupt ins Hier und Jetzt zurück. »Es war ausgemacht, dass ich morgen früh auf dem Präsidium erscheine und …« – »Morgen, morgen! Erzählen Sie das mal unserem Killer!«
    Plötzlich zuckte er leicht zurück. »Das Zeug brennt ja wie Spiritus!«
    Lena ließ die Hand mit dem Wattebausch sinken und sah ihm fest in die Augen. »Ein weiteres Opfer?«
    Dreschers Seufzer sprach für sich.
    »Etwa heute Abend?«, fragte sie nach.
    »Dachten Sie etwa, diese Bestie mordet nur zu Geschäftszeiten?« Mit einem verächtlichen Lacher schob er seine Brille in den Haaransatz, nahm den kühlen Waschlappen, den Lena ihm reichte, und drückte ihn auf seine rotgeschwollene Nase.
    »Nein, … natürlich nicht«, sagte sie beherrscht. Noch einen Patzer durfte sie sich nicht erlauben, wenn sie vor Drescher den letzten Funken Autorität wahren wollte. Irgendwie hatte sie bereits geahnt, dass Volker Drescher die Sorte Polizist war, die es reichlich Überwindung kostete, eine Profilerin zu einem Fall hinzuzuziehen – denn dies setzte die Einsicht voraus, dass die Ermittlungen an einem toten Punkt angelangt waren. In den allermeisten Fällen wurde Lena erst dann engagiert, wenn die zuständigen Ermittler gründlich gescheitert waren, die Nerven des Teams bereits blanklagen und jeder weitere Einsatz lediglich ein Akt purer Verzweiflung war. Somit war Lena es durchaus gewohnt, mit einer Mischung aus Argwohn und

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