Opferzahl: Kriminalroman
jeder für sich. Wie eine widerwillig versammelte Gruppe. Und trotzdem ist es reiner Zufall. Natürlich.«
»Natürlich?«
»Einer von ihnen ist ein Selbstmordattentäter«, sagte Grundström und deutete auf ein Bild. »Der da.«
»Sieht so aus«, gab Hjelm zu. »Von ihm geht die Explosion aus, und von ihm ist am wenigsten übrig. Vermutlich hatte er die Bombe am Körper. Aber was hat das mit der Platzierung der Passagiere zu tun?«
»Er ist ein Selbstmordattentäter«, wiederholte Grundström und zuckte die Schultern. »Er setzt sich so nahe wie möglich zu den Menschen, denen er Schaden zufügen will. Das ist alles. Und vor allem sollst du deine Aufmerksamkeit nicht darauf richten.«
Hjelm seufzte und fragte diplomatisch:
»Und worauf soll ich meine Aufmerksamkeit richten?«
»Auf die Straße draußen.«
»Ach ja?«
Grundström nickte, dann sagte er: »Komm mit zu den Arrestzellen.«
Und er zog seinen Chefkollegen mit sich aus dessen Zimmer.
Sie wanderten durch die Korridore. Wenn sie nebeneinander gingen, waren es immer Grundströms rasche, geschmeidige Schritte, die das Tempo bestimmten. Das war ein wenig störend, aber daran war nicht viel zu ändern.
Grundström sagte:
»Es geht also um diesen Fall. Wenn auch indirekt.« Dann schwieg er.
Bis sie die Flure mit den Arrestzellen im Stockholmer Polizeipräsidium erreichten. Dem war ein langer Weg quer durch das Innere des Polizeigebäudes vorausgegangen, von den Korridoren der Reichspolizeidirektion an der Polhemsgata bis zu Kronobergs Untersuchungsgefängnis an der Bergsgata. Die beiden Polizeichefs gingen nebeneinander durch ein ganzes Universum potenzieller Straftäter. Die Blicke der Kollegen, die zu kontrollieren und zu durchleuchten ihre Aufgabe war, waren teils ängstlich, teils respektvoll, teils argwöhnisch, teils hasserfüllt, und als das Duo das düstere und immer sehr überfüllte Arrestlokal erreichte, hatte es mehr als die normale wöchentliche Ration an Standardreaktionen erlebt.
Es war nicht leicht, das schlechte Gewissen der Ordnungsmacht zu sein.
Anderseits war es das, wofür sie bezahlt wurden.
Niklas Grundström blieb an einer Tür stehen, die sich von den anderen unterschied, und wartete auf einen Wärter. Dieser kam wie auf Bestellung, schloss auf, ließ die beiden Ermittler hinein zu einem einsamen Schreibtisch, verschwand wieder und kehrte mit einem Mann mit fliegender gelbweißer Mähne zurück, alt und ungepflegt.
Der Wächter platzierte den Mann nicht ohne eine gewisse, gleichsam angeborene Rohheit auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches. Der Mann sah sich um, als sei er gerade erwacht. Der Blick, der sie erreichte, kam zweifellos aus einem anderen Universum.
Grundström warf Hjelm schnell einen Blick zu und sagte dann mit großer Deutlichkeit:
»Guten Morgen, Arvid. Wie geht es heute?«
Der gelbweißbärtige Mann betrachtete ihn eingehend, mit einer Mischung aus großer Skepsis und großer Unschuld. Schließlich sprach er mit lauter Stimme, ungefähr so, wie man sich Jehova im Gespräch mit Moses vorstellt, während die Gesetze in die Tafeln eingemeißelt wurden.
»Über deinem Kopf ist eine schwarze Wolke, mein Freund.«
»Können Sie sich erinnern, was Sie heute Nacht gemacht haben, Arvid?«
»Sie wird dichter. Sie konzentriert sich auf das rechte Ohr. Sie wird bald platzen, mein Freund. Du hängst einem bösen Glauben an.«
»Versuchen wir, uns auf die Ereignisse der Nacht zu konzentrieren, Arvid? Ich will Ihrem Gedächtnis ein bisschen auf die Sprünge helfen. Sie haben in einem Hauseingang an der St. Eriksgata auf der Treppe gesessen, in der Nähe der Kreuzung zur Fleminggata, und haben sechsundneunzigprozentigen Krankenhaussprit gesoffen, der kurz zuvor im Sankt Görans Krankenhaus gestohlen worden war. Was ist dann passiert?«
»Wenn die Wolke sich so konzentriert, breitet sich Böses im Körper aus, mein Freund. Es macht sich bereit. Du musst mit ihr sprechen. Sonst öffnet sich die Wolke, und der Blitz zerspaltet dir das Haupt.«
Paul Hjelm betrachtete Niklas Grundström ein wenig amüsiert, wie der nur kurz den Kopf schüttelte und sich auf die Sachfrage konzentrierte. Er zog ein Papier aus der Mappe und sagte:
»Als man Sie heute Morgen um 1.13 Uhr in Gewahrsam nahm, haben Sie hier im Arrest mit dem Wachhabenden gesprochen. Erinnern Sie sich, was Sie gesagt haben?«
»Das Land der Farne«, sagte Arvid Gelbweiß träumerisch.
»Nein, das haben Sie
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