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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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herabtriefte. Selbst die unerhört massive Selbstmordbombe, die ihn tief auf den Asphalt drückte, war ihm egal. Aber der Auslöser war ihm nicht gleichgültig. Den sollte keine verdammte Leiche posthum betätigen.

    Paul Hjelm lief an ihnen vorbei zu Kerstin Holm. Sie stand leichenblass da und hielt die Waffe noch immer erhoben. Er drückte ihre steifen Arme hinunter, sodass sich die Waffe auf den Asphalt richtete. Er ließ die Sicherungssperre einrasten. Und dann nahm er sie in die Arme.

    Sie standen im Denkmal für die ermordeten Juden Europas und umarmten sich. Umarmten sich, bis ihre Gesichter wieder Farbe bekamen, bis das Blut in den Körper, das Leben in den Atem zurückkehrte. So standen sie auch noch, als von allen Seiten Menschen in das Denkmal strömten, sie schienen von sämtlichen zweihundert Eingängen zu kommen.

    Sie umarmten sich, so fest es ging.

    Chavez befreite sich von Atas schwerer Leiche und fragte: »Und ich?«

     

    *

     

    Der große Mann steht stramm und streng mit vor der Brust gekreuzten Armen da und blickt in militärischer Pose über die Hochhausdächer. Tiefe Nacht. Er streicht sich langsam über die Nase, deren gerade Linie sehr auffällig ist. Er wartet.

    Er wartet ruhig und gefasst.

    Er hat das Gefühl, etwas in der Luft vor dem Bürofenster wahrzunehmen. In der Luft selbst. Etwas Kaltes. Als drängte etwas in den Sommer.

    Das Telefon klingelt. Er streckt den Arm zur Seite aus, ohne den übrigen Körper zu bewegen, und nimmt den Hörer ab. Er meldet sich:

    »Naberius.«

    Dann schweigt er eine Weile. »Hm«, sagt er schließlich. »Haben sie die ganze Ladung?«

    Er nickt und hebt eine Augenbraue.

    »Es ist auf jeden Fall an der Zeit, das Hauptquartier zu wechseln. Sieh zu, dass es erledigt wird. Weg mit allem.«

    Wieder schweigt er eine Weile. Dann lacht er leicht und sagt:

    »Ja, was soll's, hier wird es ja Herbst jetzt, das spürt man. Im Herbst bin ich sowieso nie in Schweden.« Neues Schweigen. Dann:

    »Okay. Wir sehen uns in einer Woche dort. Das weiterentwickelte Antiterrorsystem müsste vor Ablauf eines Monats lieferbar sein.«

    Und nach abermaligem Schweigen:

    »Ja, selbstverständlich. Sturm im Wasserglas. Die Säpo ist aus dem Spiel. Wir müssen uns auf einen ordentlichen Drink sehen. Haha.«

    Er legt den Hörer auf und streckt den Nacken. Dann blickt er ein letztes Mal aus dem Fenster und seufzt leise.

    Er beginnt, Sachen vom Schreibtisch einzupacken. Unter einem Papierstapel findet er einen kleinen Gegenstand.

    Eine kleine graphitgraue Fernbedienung mit einem grünen Knopf.

    Er betrachtet sie desinteressiert. Dann drückt er auf den grünen Knopf und wirft die Fernbedienung in den Papierkorb.

    Danach reist er seines Weges.

     

    *

     

    Eigentlich kehrte das Leben erst in dieser halben Stunde auf dem Flugplatz von Rhodos zurück. Nicht einmal während der streng geheimen Zeremonie, als die drei Schweden für verdienstvoll ausgeführte internationale Polizeiarbeit ihre Medaillen erhalten hatten, waren die Lebensgeister zurückgekehrt. Auch nicht, als Reinhart Vogel gesagt hatte, dass er persönlich Berlin und die westliche Welt vor einer internationalen Katastrophe gerettet habe.

    Da war er noch erstarrt gewesen.

    Und blasser als eine Leiche.

    Außerdem hatte Vogel dasselbe zu Kerstin Holm gesagt. Und sogar zu Paul Hjelm. Auch das noch.

    Aber jetzt, in dieser tristen halben Stunde, während er auf das Flugzeug aus Stockholm wartete, kehrte das Leben zurück. Und zwar mit furchtbarer Kraft. Wie ein aufgestauter See.

    Er sehnte sich schmerzlich nach Sara. Und nach Isabel, natürlich.

    Jorge Chavez streckte sich auf dem Wartesofa aus und ließ sich von Leben durchströmen. Er dachte an Veränderung. Es war erst eine Woche her seit jenem schmählichen Lauf durch das nächtliche Stockholm zu jener U-Bahn, die er ums Leben nicht erreichen wollte. Aber die er trotzdem zu erreichen versuchte. Eine einzige Woche. Was hatte sie nicht alles gebracht.

    Vor allem Demütigung. Das Gefühl, sein Leben in die falsche Richtung gelenkt, eine bizarr falsche Entscheidung getroffen zu haben. Das sollte nicht wieder passieren, so viel wusste er. Nie wieder.

    Er war ein Idiot gewesen. Ein richtiger Vollidiot.

    Die halbe Stunde verstrich langsam. Sehr, sehr langsam. Und während dieser Zeit genoss er das Leben so, dass er sich nicht erinnerte, wann er es zuletzt so gespürt hatte. Es war eine Weile her.

    Aber jetzt stand eine schöne Zeit bevor. Sie wollten zu der

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