Opium bei Frau Rauscher
mußte er würgen. „Also gut. Wann wollt ihr los?“
„Buddha hat bis dreiundzwanzig Uhr Dienst. Danach muß er noch abrechnen. Wir haben ausgemacht, daß ich ihn um halb zwölf abhole.“
„Okay. Ich koche uns vorher noch was.“
Es wurde ein sehr gemütlicher Abend. Aus Resten und Tiefgefrorenem hatte Herr Schweitzer einen Nudelauflauf gezaubert. Maria war heute mit ihrer Zeichnung für eine neue Skulptur fertiggeworden, seit Wochen hatte sie daran gearbeitet. Um den Tag gebührend zu zelebrieren, zahlte sie das Taxi zum Weinfaß. Mit anderen Stammgästen fachsimpelte man dort in gewohnter Weise. Das hieß, keiner war vom Fach, folglich wurde nur gesimpelt.
Punkt dreiundzwanzig Uhr dreißig traf man, wiederum per Taxi, im Dautel ein und holte Buddha Semmler ab. Zu dritt, Maria in der Mitte, drängte man sich unter des Apfelweinkellners Regenschirm.
In der schwulen Frau Rauscher strebte Herr Schweitzer sogleich einen Tisch an. Direkt am Tresen wollte er wegen seiner Berührungsängste nicht sitzen, dort tummelten sich nämlich etwa zehn warme Brüder. Einer hatte eine schwarze Lederhose an, die an den Pobacken ausgeschnitten war und einen haarigen Hintern zur Schau stellte. Buddha Semmler entfleuchte daraufhin ein „Mein lieber Scholli“.
Die Stimmung war schon prächtig angeheizt, und Simon wurde mit grossem Hallo empfangen, was er irgendwie auch befürchtet hatte. „Na Simonchen“, sagte ausgerechnet derjenige mit dem blanken Arsch, an den er sich gar nicht erinnern konnte, „kommst du heute mit Schwesterchen und Brüderchen als Verstärkung?“ Dabei zeigte er auf Maria und Semmler.
„Hauptsache, er kann überhaupt noch kommen“, witzelte nun Lola, als sie den Tisch erreichte. „Ich bin übrigens die Lola.“ Sie reichte Maria und Semmler die Hand.
„Angenehm, ich bin die Maria.“
„Und ich der Semmler vom Dautel. Ich bediene dort. Wir sind also Kollegen.“ Der Apfelweinkellner war ob der Schönheit von Lola außer Rand und Band und legte sich dementsprechend ins Zeug. „Vielleicht kommst du mich dort mal besuchen. Den ersten Schoppen gebe ich dir aus.“
Justament als Herr Schweitzer seinem flirtenden Freund sagen wollte, daß Lola ein Mann war, der aus einer Laune der Natur heraus in Frauenkleidern rumlief, und er, Buddha Semmler, mit seinem Gebalze so richtig neben der Spur lag, ging die Tür auf. Von ihrem Platz aus konnten sie nicht sehen, wer eintrat, doch anhand des Umstandes, daß sofort alle Gespräche am Tresen verstummten, ahnten sie bereits, etwas Ungewöhnliches stand bevor. In der nun eingekehrten Stille wirkte Lolas spitzer Schrei umso lauter. „Iiiiih, ein nackter Mann.“
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten sie es sich denken können, aber alles ging viel zu schnell. Als teile sich ein purpursamtener Vorhang, betrat Sachsenhausens Galionsfigur, die mit Abstand schillernste Figur Hibbdebachs, die Bühne. Es war ein Mensch, der zu diesem Stadtteil gehörte wie der Wohnwagen zum Holländer. Der Nackte Jörg. Er, der nicht nur so hieß, sondern auch so rumlief. Jeden Tag. Bei Wind und Wetter. Der Nackte Jörg durfte das. Ein Gerichtsurteil belegte es. Gerüchten zufolge hatte er eine Allergie gegen alle erdenklichen Stoffe und Materialien, die seinen Körper berührten.
Nicht nur Herrn Schweitzer rührte der Schlag. Wahnsinn, dachte er, was geht denn hier ab? Maria grinste und der Apfelweinkellner hielt sich die Hand vor den Mund.
Als der erste Schock vorüber war, ging es recht flott weiter. Allerlei Kommentare begleiteten den Nackten Jörg auf seinem Weg zum Tresen.
„Beim Sackhaar des Propheten, wie entzückend“, sagte jemand mit Eunuchenstimmchen.
Herr Schweitzer überlegte, ob Eunuchen, sexualtechnisch gesehen, schwul sein können.
„Ein nackter Mann. Und dazu noch so lendenstark. Setz dich doch zu uns.“
„Ach, schaut doch nur, dieses Kostüm. Wie apart. Ich glaub, ich bin in Wallung.“
„Ja, ich hab gehört, dieser Chic ist wieder stark am Kommen. Wo man so was nur herkriegt?“
„Und guckt doch bloß, wie hübsch der Schniedelwutz. Ist er nicht goldig?“
„Das ist normale Härte.“
„Ach, du Schelm. Wenn das normale Härte ist, dann will ich gar nicht erst wissen, wie es danach aussieht, falls man es überhaupt noch sieht.“
„Du treulose Tomate, du. Guck da nicht immer hin.“
„Ich guck doch gar nicht.“
„Doch guckst du.“
„Gar nicht. Guck, ich guck woanders hin.“
„Ja. Jetzt.“
Und alle amüsierten sich. Herrn
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