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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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es nach oben und fing es wieder auf, als könne er aus der Flugbahn den Marktwert errechnen. „Theoretisch dürfte der Preis zwischen achtzig und hundertzwanzig liegen. Aber wie gesagt …“
    „… theoretisch.“
    „Genau. Theoretisch. Und du willst mir des echt schenken?“
    „Wenn ich’s dir sage.“
    „Oh, dann warte mal ein Augenblick.“ Giorgio-Abdul ging telefonieren. Die Sprache hatte die Lautstärke eines arabischen Teppichhändlers und war Herrn Schweitzer unverständlich. „Kommste mit zu mir? Da können wir in aller Ruhe ein Pfeifche durchziehn. Gleich kommt Hassan und übernimmt den Laden.“
    „Hassan?“
    „Ein Sohn vom Vetter von Ahmed, der wo die Pizzeria auf der Schulstraße betreibt.“
    „Aha. Aber nein, ich komm net mit. Opium bekommt mer net, weißt du?“
    „Opium bekommt dir net? So was hab ich ja noch nie gehört.“
    „Ja. Es ist nix Schlimmes, nur ne Opiumallergie, verstehste, Alter?“
    „Opiumallergie. Soso. Ich glaub, Simon, du hast ein Knall.“
    „Des weißte doch.“
    „Und, Simon …“
    „Ja?“
    „Du kennst doch in Sachsehause Gott und die Welt.“
    „Gott nicht, den Rest schon.“
    „Ich hab gehört …“, flüster, flüster, „… es gibt ein paar neue Jungs, die wollen sich hier den Markt unter den Nagel reißen. Du weißt, von wegen Hasch und so …“
    Herr Schweitzer dachte sofort an Jürgen und Lola. Doch er konnte schweigen wie ein Grab. Das unterschied ihn von den meisten Eingeborenen. „Nee, Alter, da hab ich nix gehört, aber ich kann mich ja mal umhören. Ich sag dir Bescheid, sobald ich was hör.“
    „Das wär echt supi, Alter. Meinen Großhändler ham se nämlich vor ein paar Tagen hops genommen. Ich brauch ne neue Connection.“
    „Versteh ich. Du hörst von mir. Halt die Ohren steif, Alter.“
    „Du auch, mach’s gut.“
    Was für ein Tag, dachte Herr Schweitzer, als er wieder auf dem Trottoir stand. Aller Ballast war von ihm gefallen. Er fühlte sich frei wie seit Tagen nicht mehr. Dazu passend schien die Sonne mal wieder. Zur nächsten Fahrstunde war es noch ein paar Tage hin. Vom Alkohol war er vorerst kuriert. Herr Schweitzer entschloß sich, den Energieschub zu nutzen, um die knapp drei Kilometer zu seiner Freundin auf den Lerchesberg zu laufen. Unterwegs erstand er noch einen großen Strauß Blumen. Sein schlechtes Gewissen hatte ihm diesen Rat erteilt. Herr Schweitzer war hinter dem Berg aus Gerbera, Röschen und weißblühendem Schleierkraut kaum noch zu sehen.
    Der Volksmund sagt viele Dinge. Manche davon sind brauchbar, andere weniger. Für jedes Töpfchen gibt’s ein passendes Deckelchen, war eines davon. Ins Praktische übertragen, hieß das, für jede Frau hat’s irgendwo auf der Welt den adäquaten Mann, oder umgekehrt. Das ließ sich bequem und treffend auf Maria und Simon anwenden.
    Herr Schweitzer hatte in seinem Leben schon viele verrückte Sachen gemacht. Doch was Maria zu ihm sagte, als sie in ihrem idyllischen Atriumsgarten gemeinsam Tee schlürften, verschlug ihm dann doch die Sprache: „Simon. Ich gehe heute abend zusammen mit Buddha Semmler Zur schwulen Frau Rauscher. Kommst du mit?“
    „Du kommst doch da gar nicht rein“, antwortete er spontan.
    „Warum nicht? Steht da vielleicht dran, daß Frauen keinen Zutritt haben?“
    „Das nicht gerade, aber …“
    „Na also, siehst du. Außerdem bedient dort Lola, und die ist ja schließlich auch eine Frau. Warum sollte sie was dagegen haben.“
    „Lola ist ein Travestit.“
    Nach kurzer Überlegung sagte sie: „Umso besser. Ein bißchen Abwechslung tut Sachsenhausen mal ganz gut.“
    Herr Schweitzer war froh, nicht danach gefragt worden zu sein, woher er denn wußte, daß Lola ein Mann in Frauenklamotten war. Die Toilettenszene hatte er noch gar nicht richtig verarbeitet. Sie war ihm peinlich, obschon gar kein Grund dafür bestand. Doch in dieser Hinsicht tickte Herr Schweitzer wie alle Heteros. Schwulsein ja, aber dann bitte schön ausschließlich die anderen. Im übrigen war es völlig sinnlos, Maria etwas ausreden zu wollen, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Was Sturheit anging, war seine Freundin nicht zu toppen.
    „Was ist jetzt? Ja oder nein?“
    „Puuh. Die letzten Tage waren echt hart.“ Doch warum nicht, sinnierte Herr Schweitzer, ich hab mich das letzte Mal ja nicht schlecht benommen. Vielleicht ein bißchen viel getrunken. Den Gedanken an Birnenschnaps schob er ganz schnell beiseite, bevor er weiteres Unheil anrichten konnte. Trotzdem

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