Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
du mir nicht schaden würdest.«
»Aber?« Rica konnte das Wort geradezu in der Luft schweben sehen.
Wieder lachte ihre Mutter. »Aber du bist jung. Und du bist vorschnell. Ich habe Angst, dass du dich verplappern könntest. Ich habe Angst, dass jemand herausfinden könnte, was ich dir erzählt habe, und dich dann unter Druck setzt. Und ich habe Angst, dass dir etwas zustoßen könnte.«
»Mit anderen Worten: Du vertraust mir nicht.« Doch die Worte waren bei Weitem nicht so bitter wie eben. Es klang seltsam, aber Rica begann zu verstehen, was ihre Mutter meinte.
»Wir setzen uns zusammen und reden. Heute Abend. Ich verspreche dir, ich überlege mir, was ich dir anvertrauen kann.«
»Super Versprechen«, grummelte Rica, aber sie meinte es nicht böse. Sie fühlte sich sogar ein bisschen geschmeichelt, dass ihre Mutter sie anscheinend für reif genug hielt, auch wenn sie gleichzeitig ein bisschen eingeschnappt war. »Ich muss zur Schule«, lenkte sie ab. »Ich will nicht zu spät kommen.«
»Heute Abend«, versprach ihre Mutter noch einmal, bevor sie sich umdrehte und das Zimmer verließ.
Schwimmunterricht.
Normalerweise hatte Rica nichts gegen Sport, nicht einmal gegen Schwimmen. Die Schwimmhalle auf dem Gelände der Daniel-Nathans-Akademie war riesig und sehr gut ausgestattet, wie so ziemlich alles hier. Aber als Rica mit ihrer Sporttasche über der Schulter bei der Halle ankam, stand fast ihre gesamte Klasse abwartend vor dem Gebäude.
»Was ist los?«, wollte Rica wissen und ließ ihre Tasche neben Eliza auf den Boden fallen. »Ist abgeschlossen?«
Eliza schüttelte den Kopf. »Wir schwimmen heute draußen«, sagte sie und warf einen missmutigen Blick zum Himmel hinauf. Es war wolkenverhangen und grau, zwar nicht richtig kalt, aber trotzdem kühl.
»Ernsthaft?« Rica studierte ebenfalls die Wolkendecke. »Es kann jeden Moment anfangen zu regnen, und wir werden uns den Arsch abfrieren.«
Eliza hob die Schultern. »Kann man nicht ändern. Ab und zu haben sie einfach solche Schnapsideen.« Sie warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand ihnen direkt zuhörte. Dann beugte sie sich noch ein Stück zu Rica hin und flüsterte: »Wir haben es getan. Gestern Abend noch.«
»Getan?« Rica hatte den Faden verloren.
»Wir haben Andrea geschrieben. Also Nathan. Er hat ihr gestern Abend eine Mail geschickt.« Eliza wurde schon wieder ein bisschen rot, aber Rica wusste nicht, ob das war, weil sie an Nathan denken musste oder vor Aufregung. Ihr eigener Magen krampfte sich leicht zusammen. Andrea. Sie versuchte, ihr Unbehagen zu überspielen, und ganz cool zu bleiben.
»Habt ihr schon eine Ahnung, wann sie antworten wird?«
Eliza zuckte wieder mit den Schultern. »Bisher war sie immer recht fix. Aber dieses Mal kann es ja anders sein. Sie muss sich überlegen, was sie genau von uns möchte.«
Rica presste die Lippen aufeinander. »Uns loswerden«, lag ihr auf der Zunge, aber sie sprach es nicht aus. Es gab keinen Grund, Eliza zu verunsichern. Andrea wusste hoffentlich nicht, wer hinter der Mail steckte. Und sie würde es auch nie rausfinden, wenn es nach Rica ging.
»So, Herrschaften!« Frau Gerritsen, die Schwimmlehrerin, war mal wieder urplötzlich zwischen den Schülern aufgetaucht. Sie war klein und zierlich, und da sie meistens Jeans und locker sitzende Hemden trug, konnte sie ganz gut in der Menge der Schüler untertauchen. Dabei sollte man sich von ihrem Aussehen nicht täuschen lassen. Die Frau hatte einen eisernen Willen, den sie auch meistens durchsetzen konnte. »Auf zum See!«
»See?« Ricas Frage an Eliza war wohl nicht ganz so leise gewesen, wie sie es beabsichtigt hatte, denn es drehten sich gleich mehrere Schüler nach ihr um. In einigen Gesichtern las sie unverhohlenen Spott.
»Hast du hier schon mal ein Freibad gesehen?«, ätzte Sarah. »Schlaukopf. Wir gehen zum Baggersee in den Ort.«
Rica verdrehte die Augen. Da ging die Hoffnung dahin, wenigstens ein paar Bahnen in Wasser drehen zu können, das eine halbwegs vertretbare Temperatur hatte.
»Halb so schlimm, Rica«, meinte Frau Gerritsen, die ihren Gesichtsausdruck offensichtlich lesen konnte wie ein Buch. »Ihr schwimmt euch warm. Und danach gibt’s einen Kaffee im Strandcafé. Ich zahle.«
Rica erlaubte sich ein schwaches Grinsen. Kaffee. Eine der Schwächen, die sie mit ihrer Schwimmlehrerin teilte.
»Wenn wir bis dahin nicht zu Eis erstarrt sind«, murmelte sie, schwang sich die Sporttasche über die
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