Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
presste die Lippen aufeinander und starrte zurück. »Er ist mein Vater«, wiederholte sie. »Ich will das jetzt wissen.«
Ihre Mutter schnaubte verächtlich. »Es hat dich doch früher nie interessiert«, sagte sie. »Warum jetzt?«
Weil ich ihn jetzt kennengelernt habe. Weil er mir das Leben gerettet hat. Weil er nicht so ein Arsch ist, wie ich mir das immer vorgestellt habe. Aber in dem langen Telefonat, dass sie nach dem Skiurlaub mit ihrer Mutter geführt hatte, hatte sie das Auftauchen ihres Vaters bisher verschwiegen, wie sie überhaupt ziemlich vage geblieben war, was ihre Erlebnisse auf der Skihütte anging. »Du suchst nach ihm«, antwortete sie stattdessen. »Du musst doch auch einen Grund dafür haben. Und der ist nicht, dass ihr beide euch vollkommen zerstritten habt, stimmt’s?«
Ihre Mutter schwieg einen Augenblick lang. Dann seufzte sie. »Ich erkläre dir alles. Aber nicht jetzt, nicht heute. Das ist zu gefährlich.«
»Ich glaube ja, es ist gefährlicher, wenn ich überhaupt nicht Bescheid weiß«, gab Rica zurück.
»Genug jetzt!« Ihre Mutter drehte sich wieder zur Spüle um und begann, Wasser in die Tasse laufen zu lassen. »Ich bin dafür, du gehst jetzt in dein Zimmer und bereitest dich auf die Schule vor. Du hast einiges verpasst, während du in Skiferien warst.«
»Ich denke, wir gehen sowieso hier weg. Warum soll ich mich da noch anstrengen?« Rica war sich bewusst, dass sie sich anhörte wie ein trotziges Kind, aber sie konnte nicht anders. In ihr brodelte die Wut. Warum wollte ihre Mutter sie nicht einweihen? Immerhin hatte sie einiges durchgemacht, nur um immer und immer wieder vor verschlossenen Türen zu stehen. Sie vertraut mir nicht, schoss es Rica durch den Kopf.
»Wir diskutieren darüber jetzt nicht weiter.« Die Stimme ihrer Mutter war verdächtig ruhig. So ruhig, dass Rica wusste, wie ernst es ihr war. »Geh in dein Zimmer! Und morgen gehst du wieder in die Schule. Wenn wir hier weggehen, wirst du das noch früh genug erfahren.« Ricas Mutter ließ einen Spüllappen so heftig ins Wasser fallen, dass es spritzte. »Ich will nicht, dass du dich einmischst. Du bist zu jung. Du bringst dich in Gefahr. Und ich könnte es nicht verkraften, wenn dir etwas zustieße, bloß weil …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende. Stattdessen fing sie an, ihre Kaffeetasse zu schrubben. »Wir bleiben hier«, sagte sie schließlich.
Rica starrte den Rücken ihrer Mutter an. Gerade noch hatte sie so entschlossen geklungen. Rica war fast schon überzeugt gewesen, dass sie in den nächsten Tagen ihre Koffer packen würden. Jetzt schien ihr Kampfgeist wieder zurückgekehrt zu sein.
War es das, warum sie sich mit mir besprechen wollte? Um ihren eigenen Entschluss zu stärken?
Sie blieb noch einen Moment lang stehen, wartete auf etwas, eine Erklärung oder eine Zurechtweisung, aber ihre Mutter blieb nur ruhig an der Spüle stehen und plätscherte gedankenverloren im Wasser herum. Ihre Schultern zuckten leicht.
Sie weint.
Das Bedürfnis, zu ihr zu gehen und ihr eine Hand auf die Schulter zu legen, war beinah übermächtig. Aber Ricas Zorn war noch nicht ganz verraucht, und außerdem verstand sie immer noch nicht ganz, was hier eigentlich lief. Ich habe meine eigenen Probleme, dachte sie.
Dennoch hatte sie das Gefühl, ihre Mutter im Stich zu lassen, als sie sich umdrehte und in ihrem Zimmer verschwand.
Kapitel drei
Blut
»Ich muss mich bei dir entschuldigen.«
Rica rieb sich den Schlaf aus den Augen und richtete sich mühsam im Bett auf. Im Sonnenlicht, das durch ihr Fenster flutete, konnte sie die Silhouette ihrer Mutter in der Tür ausmachen.
»Was?« Ihr Gehirn schien noch nicht ganz wach zu sein.
»Es tut mir leid.« Ihre Mutter trat zögernd ins Zimmer und kam auf Ricas Bett zu. Sie machte Anstalten, sich auf die Bettkante zu setzen, überlegte es sich dann jedoch anders. »Es ist nicht fair, dich mit einem Haufen Fragen ins Bett gehen zu lassen. Du hast ein Recht auf diese Antworten«, meinte sie.
Rica blinzelte verwirrt. Wenn sie nicht genau gesehen hätte, dass ihre Mutter vor ihr stand, hätte sie das hier für den Beweis der Existenz von Körperfressern gehalten.
»Willst du mir damit sagen, dass du mir jetzt endlich alles erklärst?«
Ricas Mutter lachte leise. »Das kann ich wirklich nicht. Auch wenn es mir leidtut.«
»Du vertraust mir nicht.«
»Das ist es nicht. Ich vertraue dir«, widersprach ihre Mutter. »Ich halte dich für ein kluges Mädchen, und ich weiß, dass
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