Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
schon auf dem Rückweg. In der Nähe des Stegs war kein einziger Kopf mehr im Wasser zu entdecken.
Blöde Leistungstiere. Denen werde ich es zeigen. Rica hätte jetzt umdrehen können, die entsprechende Strecke hatte sie allemal geschafft, aber sie wollte es, wenn schon, richtig machen.
Noch einmal mobilisierte sie ihre Reserven und kraulte zum Bootshaus. Das Wasser lag still und ein wenig trübe da, nicht einmal eine verirrte Ente war im Wasser. Klar, denen ist es heute auch zu kalt. Ist ja nicht jeder so bescheuert wie du, Rica.
Sie schwamm bis zum Steg und hielt sich an einem der glitschigen, mit schleimigen Algen bewachsenen Pfosten fest. Sie war ganz schön aus der Puste. Ihr Atem ging schwer, und Rica meinte, ein leichtes Rasseln darin zu hören.
Du hast es ja nicht anders gewollt. Sie musste sich ein wenig ausruhen. Langsam tastete sie sich an den Pfosten nach vorne, bis sie in so flaches Wasser kam, dass sie sich auf den Steg hinaufziehen konnte. Das Holz war nass, kalt und rau unter ihrem Körper, und ein kühler Wind richtete die Härchen an Ricas Körper auf, aber wenigstens konnte sie sich einen Moment lang ausstrecken. Wieder schloss Rica die Augen. Nur kurz ausruhen, bis ihre Puste wieder zurück war. Sie konnte schnell kraulen. Zumindest die letzten ihrer Mitschüler würde sie schon einholen. Irgendwo knarrten und quietschten Holzbohlen. Vielleicht das Bootshaus, das sich ein wenig im aufkommenden Wind bewegte. Sonst war es still. Angenehm still. Keine Vögel, keine Tierlaute, nichts.
Als sie die leisen Schritte auf dem Steg hörte, war es schon zu spät. Rica riss die Augen auf, aber das Einzige, was sie sehen konnte, war eine dunkle Silhouette, die sich vor dem grauen Himmel abhob. Eine Silhouette mit etwas Langem in der Hand.
Ein Baseballschläger?
Im nächsten Moment traf sie der Blitz. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Kopf, sodass sie glaubte, ihr Schädel müsse brechen. Vor ihren Augen flammte es weiß, dann rot, bevor um sie herum alles schwarz wurde. Eine angenehme, samtige Schwärze, in die Rica sich nur zu gerne hineinsinken ließ.
Schlafen.
Leise Schritte entfernten sich wieder, und irgendwo erklang eine Stimme, danach hörte Rica nichts mehr.
* * *
Eliza war dermaßen mit Frieren beschäftigt, dass sie Ricas Fehlen erst bemerkte, als sie sich wieder anzog. Die ersten ihrer Mitschülerinnen trotteten schon in Richtung des kleinen Cafés, um ihren versprochenen Kaffee abzuholen, doch Eliza blieb stehen und sah sich um.
»Wo ist Rica?«
Frau Gerritsen wurde schlagartig blass, und sie sah sich selbst um. Eliza hatte die Lehrerin noch nie so erschrocken gesehen.
»Sie wollte noch mal zum Steg schwimmen«, sagte sie. »Bist du ihr nicht begegnet?«
Eliza nickte. Sie erinnerte sich, wie erschöpft Rica gewirkt hatte. Warum hatte sie sie nicht dazu überredet, mit ihr zusammen zurückzuschwimmen?
Frau Gerritsen starrte aufs Wasser hinaus. Der See lag still da, nirgendwo war noch eine Gestalt zu erkennen. Eliza konnte ihren Gedankengang geradezu sehen. Wenn Rica etwas zugestoßen sein sollte, dann war es Frau Gerritsen, der man die Schuld geben würde.
Nicht ganz zu Unrecht, dachte Eliza. Immerhin hat sie uns in diesen scheißkalten See gescheucht. Aber die bitteren Gedanken verflogen beinah sofort wieder und machten einer wachsenden Sorge um Rica Platz.
»Ich glaube nicht, dass ihr was passiert ist«, sagte sie, fast mehr, um sich selbst zu beruhigen als Frau Gerritsen. »Sie schwimmt gut. Bestimmt ist ihr nur die Puste ausgegangen, und sie ist auf dem Steg geblieben.«
Frau Gerritsen starrte immer noch aufs Wasser hinaus, in Richtung des Bootshauses. Dann sah sie den übrigen Schülern hinterher, von denen nun einige stehen geblieben waren und fragend über ihre Schultern zurückblickten.
Eliza folgte ihrem Blick, und wieder war ihr klar, was die Lehrerin denken musste. Da waren noch andere Schüler, die sie nicht allein lassen durfte. Nicht, nachdem sie jetzt schon Schwierigkeiten hatte.
»Ich laufe zum Bootshaus!«, sagte Eliza kurz entschlossen. Wenn sie hier noch weiter untätig herum standen, würde sie noch wahnsinnig werden.
»Ich glaube nicht …«
Doch Eliza band ihren Turnschuh zu und sprintete los, ohne auf irgendwas zu achten, was die Lehrerin noch zu sagen hatte. Sie wurde nicht aufgehalten.
Eliza rannte. Sie war keine schlechte Sportlerin, wenn auch nicht ganz so trainiert wie Rica, aber der Weg um die Bucht herum war weit. Viel weiter, als direkt
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