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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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schloss.
    »Du machen dir keine Sorgen«, hatte Mimmo noch ins Handy gerufen, mit ihr als Ausländerin sprach er gern im Infinitiv, »ich kümmere mich um alles!«
    Und nun lag Ostuni auf dem Hügel vor ihnen. »Schau mal, Mama, Ostuni sieht aus wie eine Torte!«, hatte der kleine Emil gerufen, als sie vor fünf Jahren von der Straße am Meer abgebogen und auf die weiße Stadt zugefahren waren. Das letzte Mal mit Milena, ihr letzter Sommer. Es war schon dunkel gewesen, und die Stadt schien wirklich in eine Sahnetorte mit Wunderkerzen darauf verwandelt worden zu sein. Eva wusste, dass auch Georg in diesem Moment daran dachte und wahrscheinlich genau wie sie inbrünstig darum betete, dass niemand Emils Satz zitierte. Sie seufzte und versuchte ein letztes Mal, Mimmo zu erreichen, aber vergeblich. Diese Nummer ist zurzeit nicht erreichbar, sagte die Frauenstimme von TIM. Na dann eben nicht, vaffanculo! , vielleicht hatte er seine Nummer geändert und vergessen, ihr Bescheid zu sagen.
    Sie fuhren wieder durch Olivenhaine, rechts und links säumten uralte Bäume mit verdrehten, knotigen Stämmen die Straße, teilweise ausgehöhlt und geborsten, sodass man sich wundern musste, wie sie sich überhaupt aufrecht halten konnten. Bei manchen wurden die knorrigen Äste von behelfsmäßigen Krücken aus ehemals weißen Ziegelsteinen gestützt, auch sie schon mehrere Jahrzehnte alt. Es dämmerte. Hinter den weißen glatten Mauern der Stadt verglühte langsam das kräftige Abendrot, das sich seit Fasano über den Himmel gewölbt hatte.
    Dann, als habe irgendjemand einen Schalter umgelegt, gingen mit einem Schlag die Lichter der Straßenbeleuchtung an, erst war es nur ein leichtes Glimmen, doch während sie immer näher kamen erstrahlte Ostuni vor ihren Augen.
    »Booaah! Habt ihr das gesehen?«, rief Emil. »Die Stadt ist gerade wie ’ne Riesensparlampe angegangen! Zing!« Eva lächelte. Was Georg in diesen Minuten wohl durch den Kopf gehen mochte?
    »Apropos Riesensparlampe. Wer hat eigentlich den Strom in den letzten Jahren bezahlt?«, fragte Helga. »Nicht dass die das Licht völlig abgedreht haben.«
    »Mimmo wollte das übernehmen, gebt ihr mir später zurück, hat er gesagt.« Eva versuchte mit ihrem Handy ein Foto zu machen. Die Lichter der Stadt waren verwischt, die Konturen der weißen Häuser unscharf, doch sie löschte das Bild nicht, es wirkte beinahe mystisch. Sie sah, dass sie eine neue Nachricht hatte. Von Silke aus dem LKA. Hier geht alles seinen Gang. Ruf mich morgen an! Das klang nicht wirklich vielversprechend. Andererseits, hätte sie nichts gefunden, würde sie doch nicht schreiben, dass Eva sie anrufen sollte, oder?
    »Stromrechnungen von fünf Jahren?«, fragte Helga alarmiert. »Na, hoffentlich hat er das auch wahr gemacht, sonst haben wir ein Problem. Man sieht ja kaum noch was.«
    Eva gab Helga im Stillen recht, mit der Energiegesellschaft Enel war nicht zu spaßen. War der Strom erst einmal wegen einer unbezahlten Rechnung abgestellt, dauerte es ziemlich lange, bis man wieder welchen geliefert bekam. Sie stellte sich den dicken Stapel kleiner weißer Einzahlungsschnipsel vor, den Mimmos Tochter Katia ihr in die Hand drücken würde.
    Etwas nervös suchte sie nach dem schweren Schlüsselbund, den sie schon seit ihrer Abfahrt in Hamburg in der Handtasche spazieren trug. Die Schlüssel für die Türen und Gitter der Trulli waren ungewöhnlich geformt, sie hatten lange schmale Stäbe, um durch die dicken Eisentüren zu kommen, und doppelte, sehr flache Bärte. Die bunten Schild chen hatte sie für Milena darangehängt, es machte sie wahn sinnig, mit welcher Ruhe ihre Schwester sonst immer alle Schlüssel durchprobierte: Tor vorn, Tor hinten, Haus, UNO, ALTRO, Zisterne und einige mehr.
    »Aber wir gehen doch erst ins Hotel?«, fragte sie.
    »Ich habe keine Lust, morgen mit kaltem Wasser zu putzen!«, insistierte Helga.
    »Mutter!« Georg bremste scharf, weil direkt vor ihm ein Hund über die Landstraße lief, über die halbhohe Mauer sprang und im Olivenhain verschwand. »Vielleicht solltest du morgen gar nicht mitkommen, sondern besser im Hotel bleiben!«
    »Ich wollte mir das Anwesen schon noch einmal anschauen, ist ja bereits zehn Jahre her. Außerdem dachte ich, mein Benehmen bei der Hochzeitsfeier wäre mir inzwischen verziehen.«
    Georg brummte etwas, was sowohl Ja als auch Nein heißen konnte.
    Die Hochzeitsfeier. Immer wenn die Sprache darauf kam, landete man zwangsläufig beim Mauer-Fall , er wurde in

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