Orangenmond
fuhr ein Leihauto gegen den Torpfosten und brach eine gute Ecke davon raus, und irgendein Idiot, dessen Name Eva vergessen hatte, fackelte einen der Olivenbäume zur Hälfte ab, als er trotz Milenas Warnung bei wehendem Schirokko ein Feuer darunter entfachte.
Milena war in alle verknallt, bezahlte die Schäden und schmiss die Männer dann recht schnell wieder aus ihrem Leben.
Mit Eva erholte sie sich, obwohl es dauernd etwas zu tun gab. Im Frühjahr putzten sie gründlich, ließen alles in der Sonne auslüften, schmirgelten nach und nach die schwarzen Fensterläden, Gitterstäbe und Türen ab und strichen sie in einem wunderschönen blassen Blau. In einem Jahr wei ßelten sie sogar die Manschetten unter den Kugeln der Trul lomützen nach. Sie hatten die Läden nach hübschen Sachen für die Trulli durchstöbert, handgeflochtene Körbe, antike Spiegel und alte Einmachgläser, die man als Windlichter verwenden konnte, gefunden und jedes Mal noch mehr von den fest verschließbaren Plastikkisten gekauft, in denen sie alles, was nicht einstauben sollte, verpackten.
Im Herbst, wenn die Tage in Apulien noch sonnig und golden, die Nächte aber schon feucht und merklich kühler waren, hatten sie gepflanzt. Die rote Erde, die man rundherum sah, war trügerisch. Kaum hatten sie es geschafft, ein dreißig Zentimeter tiefes Loch zu graben, stießen sie auf weißen Felsen.
Mimmo half ihnen, geeignete Plätze zum Pflanzen zu finden. Unter den Olivenbäumen müsse die Erde freibleiben, bestimmte er, sonst könne man im Dezember nicht vernünftig ernten und den Boden mit der motozappa , dem Motorpflug, umgraben. Aber selbst, als Milena in einer Ecke heimlich etwas Rosmarin anpflanzen wollte, war sie schnell auf den verdammten Felsen gestoßen.
Mimmo ging mit ihnen über das Grundstück. Wie ein Wünschelrutengänger erspürte er, wo der Fels zurückwich und der roten Erde Platz machte. Unterhalb des Plateaus ließ er einen seiner Cousins tiefe Löcher für die Pinien und zwei Lorbeerbäumchen in den Boden graben und legte fest, wo der Oleander gute Überlebenschancen hatte. Hier könnte es gelingen. Oder da. An der Rückseite der Zwillingstrulli, neben der Außendusche, war der optimale Platz.
Die Oleanderstauden wurden zusammen mit dünnstämmigen Piniensetzlingen aus der Gärtnerei gebracht, Mimmo kam mit zwei Büschen, deren Namen er nicht kannte, die aber schnell wachsen sollten. Auf dem verwilderten Nachbargrundstück buddelten sie fleischig grüne Agaven aus, setzten sie in Tontöpfe und stellten sie rechts und links neben die Eingangstür. Vom Wegesrand konnte man die abgefallenen, ohrenförmigen Blätter der Kaktusfeigen aufsammeln, die hier überall wuchsen. »Legt sie hinter die Küchenmauer, dort ist guter Boden«, empfahl Mimmo, »sie bilden Wurzeln und wachsen schnell, in zwei, drei Jahren schauen sie schon darüber.«
»Wir erschaffen hier etwas mit unseren Händen«, sagte Milena, »das ist viel befriedigender, als das Gesicht in die Kamera zu halten. In ein paar Jahren wird das hier ein zugewuchertes Paradies sein!«
Eva stimmte ihr zu, auch ihr hatte die anstrengende Arbeit in der klaren herbstlichen Luft gutgetan.
Die rote Erde klebte an allem, was sie anhatten. Ein großer Teil ihrer Garderobe blieb nach dem ersten Herbst in den Plastikkisten zwischen Gummistiefeln und Arbeitshand schuhen zurück. »Gartenklamotten« hatte Eva daraufgeschrieben. Im nächsten Frühjahr hatte sie alles wegschmeißen müssen, die Sachen waren mit Stockflecken übersät, das Waschleder der Handschuhe schimmelig.
Ob wirklich alles zugewachsen war, wie Milena vorausgesagt hatte? Oder der Oleander an der Dusche in den vergangenen heißen Sommern nicht vielleicht eingegangen? Mimmo hatte ihn in den letzten Jahren bestimmt nicht regelmäßig gegossen. Ob er die Olivenbäume geschnitten hatte?
Ein einziges Mal, ein halbes Jahr nach Milenas Tod, hatte sie ihn angerufen. Milena ist tot, morta, sie hatte bei dem Wort sofort wieder angefangen zu weinen.
»Das ist schrecklich! Wir haben sie alle sehr geliebt hier!«, hatte Mimmo in ihr wortloses Weinen gesagt. Obwohl sie sich Mimmo nicht beim Zeitunglesen vorstellen konnte, hatte er davon gewusst. »Die Mandeldiebin« war schließlich auch in Italien ein Riesenerfolg gewesen. So erfolgreich, dass einige Paparazzi auf dem Grundstück lauerten. Als Emil geboren war, hatte Milena einen teuren, drei Meter hohen Zaun bauen lassen, der sich um das Land und die vierzig Olivenbäume
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