Orangenmond
kursiven Lettern ausgesprochen, doch selten wurde dabei gelacht. Der Vorfall hatte alle Beteiligten geschockt hinterlassen und sich tief in das kollektive Gedächtnis gebrannt.
Schon eine Woche vor dem eigentlichen Termin waren sie zusammen nach Italien geflogen, Milena hatte Eva angefleht, ihr bei den Vorbereitungen zu helfen. »Das soll dein Hochzeitsgeschenk für mich sein, das wünsche ich mir mehr als alles andere!« Und Eva willigte ein, fing sofort an zu recherchieren und zu telefonieren: Welche Hotels kamen für die Übernachtungen der Gäste infrage? Welches Restaurant würde ihnen ein komplettes Buffet nach draußen in die Einsamkeit liefern können? Brauchten sie eine Band oder einen DJ? Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, ihrer schwangeren Schwester diesen Wunsch abzuschlagen.
Drei Tage vor dem großen Fest trudelten die Freunde von Georg und Milena ein, sie schliefen in den von Eva empfohlenen Hotels in Ostuni oder campten unter den Olivenbäumen. An den Abenden saßen sie zu zehnt um den großen Tisch im Hof, sie grillten Doraden und aßen spaghetti aglio olio oder irgendetwas, das jemand gekocht hatte. Ein kleines Feuer brannte in der riesigen gusseisernen Schale, die Georg einem Schmied in Martina Franca abgekauft hatte. Es wurde Gitarre gespielt und gesungen. »Ich fühle mich wie auf Klassenfahrt in der Zehnten«, sagte Milena, »nur besser. Und schwangerer.«
Am Morgen der Feier kam Jannis mit dem Kieslaster angefahren, am Mittag musste Helga vom Bahnhof in Ostuni abgeholt werden. Sie bezog ALTRO, den rechten der beiden Trulli, der für sie reserviert war, während Eva in UNO untergebracht war. Milenas Schriftzug auf den Steinen war kaum mehr zu sehen, doch an die Namen hatte sich jeder gewöhnt. Am Nachmittag, als alle beim Aufbau für die Party halfen, ließ Helga sich von Georgs Freund Sebastian, einem Innenarchitekten mit trainierter, rasierter Brust, das Grundstück zeigen. Sebastian hatte schon drei Bier in der Hitze ge trunken, gemeinsam verschwanden sie zwischen Olivenbäu men und Kaktusfeigen. Mit verwischtem Lippenstift und schief sitzendem Kleidergürtel kam Helga eine Stunde spä ter über die roten Erdschollen zurückgestakst, auffällige fünf Minuten später erschien Sebastian. Alle sahen es, nur seine Frau Meike nicht, die den vier Monate alten Robert-Noah in ihrem Tragetuch seit seiner Geburt dauerstillte.
Bei Einbruch der Dunkelheit begann die Party, die Nacht war für September in Apulien außergewöhnlich warm. Drei ßig Freunde waren aus Deutschland eingeflogen, manchen hatte Milena den Flug bezahlt, manchen das Zimmer, manchen beides. Geld war ihr nicht wichtig, Hauptsache, alle, die sie liebte, waren gekommen.
Die beiden Kellner vom Ristorante Vecchia Ostuni waren jung und gut geschult, DJ Boris war ein Freund von Milena und Perfektionist, er hatte drei Stunden für den Aufbau seiner Anlage gebraucht. Salvatore, der Mann für die Drinks, flirtete mit jedem, egal ob Mann oder Frau, nahm seine Aufgabe aber ebenfalls sehr ernst. Eva nahm einen ersten Mojito mit frischer Minze aus dem Hausgärtchen von ihm entgegen und stürzte ihn hinunter. Sie hatte die Party vorbereitet wie eine professionelle Hochzeitsplanerin aus L . A. oder New York, nun entließ sie sich guten Gewissens selbst aus ihrem Schwester-Dienst. Den Rest musste Milena schon selber machen, oder ihre Freunde, denn auch die hatte Milena gut im Griff.
»Das ist zwar nicht irgendeine Party, sondern unsere Hochzeitsfeier, aber ich will keine Spiele und keine Reden«, hatte sie gleich allen klargemacht. Drei ihrer Freundinnen schmollten daraufhin ein bisschen, packten ihre lustig gedruckte Vorschau auf »Bräutigam füttern« und »Regenschirmtanz« aber wieder ein.
Eva aß, Eva trank, Eva tanzte. Eva stieß mit Milli auf die geniale Idee an, ihren Eltern nichts von den Hochzeitsfeierlichkeiten mitzuteilen. Nie mehr Italien mit Annegret und Manfred! Ihr alter Schwur hatte gehalten.
Zur standesamtlichen Trauung im Hamburger Rathaus waren die beiden natürlich eingeladen worden, doch Annegret gab nachher zu, sie hätte sich mehr Trubel gewünscht. »Nicht mal die BILD -Zeitung ist da«, flüsterte sie enttäuscht, als nur ein paar Passanten stehen blieben, sich anstießen und »Das ist doch … Ist sie das nicht?« tuschelten. Milena hatte das Aufgebot mit Billigung der Standesbeamtin unter falschem Namen bestellt, sodass sie fast gänzlich unerkannt heiraten konnten.
Gegen zwei wurde Eva endlich betrunken,
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