Orchideenhaus
August schon etwas vorhaben. Wenn nicht, könnten Sie herkommen und den Monat bei mir verbringen, mit mir im Garten spazieren gehen und das wunderbare Sommerwetter genießen. Ich weiß, dass Harry Sie gerne wiedersehen würde. Er hat so viel zu tun mit der Ausbildung seines Bataillons, der arme Junge.«
Olivia sank auf den Stuhl neben dem Telefon.
»Ich …« Sie wusste, dass sie sich schnell entscheiden musste. »Ich leiste Ihnen gern Gesellschaft, Adrienne. Wirklich sehr freundlich von Ihnen, mich zu fragen.«
» C’est parfait! Dann ist es also abgemacht. Wann können Sie kommen?«
»Ich habe meinen Eltern versprochen, sie in Surrey zu besuchen, könnte aber Anfang nächster Woche bei Ihnen sein. Würde Ihnen das passen?«
»Ja, wunderbar«, antwortete Adrienne. »Wenn Ihnen das hilft, schicke ich Ihnen gern unseren Chauffeur nach Surrey. Die Zugreise wäre ziemlich beschwerlich.«
»Danke.«
»Ich freue mich schon darauf, Sie nächste Woche zu sehen, Olivia. Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie mir Gesellschaft leisten wollen.«
»Keine Ursache. Wharton Park ist mein absoluter Lieblingsort«, erklärte Olivia durchaus aufrichtig. »Auf Wiedersehen. «
» A bientôt, chérie. «
Nachdem Olivia aufgelegt hatte, hielt sie die Hände an die Wangen, um sie zu kühlen.
Ein ganzer Monat in Wharton Park … bei Harry.
Sie schloss die Haustür hinter sich und hüpfte vor Freude fast den ganzen Weg zu Venetias Haus.
Venetia wirkte über die Nachricht nicht so begeistert, wie Olivia gehofft hatte. Olivia schrieb Venetias Reaktion ihrem Egoismus zu, denn jetzt würde sie allein nach Frankreich fahren müssen.
»Du sagst, seine Mutter hat dich angerufen?«, erkundigte sich Venetia. »Glaubst du, er ist ein Muttersöhnchen? Ich finde es jedenfalls ziemlich seltsam.«
Olivia ließ sich die Freude nicht verderben. »Natürlich muss mich die Hausherrin einladen, oder? Alles andere wäre unschicklich. Außerdem mag ich Adrienne und Wharton Park«, fügte sie hinzu.
»Du bist verrückt, wenn du eine Reise an die Riviera für einen Aufenthalt in einem zugigen Mausoleum in der Pampa aufgibst«, seufzte Venetia. »Aber ich denke gern an dich, wenn ich im Mittelmeer bade und in der Sonne Cocktails schlürfe.«
Und ich werde überhaupt nicht neidisch sein, dachte Olivia glücklich.
Am folgenden Tag packte Olivia ihre Siebensachen, bedankte sich bei ihrer Großmutter und machte sich auf den Weg zu ihren Eltern in Surrey.
Die beiden Tage, die sie dort verbrachte, gestalteten sich schwierig. Das lag nicht an ihren Eltern; Olivia hatte sich verändert. Es war fast, als wäre sie ihnen in den vergangenen Monaten entwachsen. Beim Abendessen mühte Olivia sich ab, Gesprächsthemen zu finden, die alle interessierten. Doch selbst wenn es ihr gelang, schienen sie grundsätzlich anderer Meinung zu sein als sie.
Am Abend vor ihrer Abreise nach Wharton Park trank sie nach dem Essen mit ihrer Mutter Kaffee im Salon.
»Nun«, fragte ihre Mutter, ohne den Blick von ihrem Strickzeug zu heben, »darf ich davon ausgehen, dass zwischen dir und Harry Crawford ein Einverständnis besteht?«
»Er ist sehr, sehr nett, aber damit beschäftigt, sein Bataillon auszubilden. Deswegen werde ich ihn während meines Aufenthalts dort vermutlich nicht allzu oft zu Gesicht bekommen.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet, Olivia.« Ihre Mutter hob den Blick.
Olivia hielt sich bedeckt. »Wir mögen uns.«
Ihre Mutter lächelte. »Ich empfinde ihn als sehr angenehm und möchte dir sagen, dass dein Vater und ich nichts gegen eine Verbindung einzuwenden hätten.«
»Mutter!« Olivia errötete. »So weit sind wir noch lange nicht.«
»Ich sehe, dass du ihn mehr als nur gut leiden kannst. Jedes Mal, wenn du seinen Namen aussprichst, fängst du zu strahlen an.«
»Ja, wahrscheinlich hast du recht«, gab Olivia zu.
»Mein Gott, wie viel Geld wir uns für die Saison hätten sparen können, wenn uns klar gewesen wäre, dass wir schon im Januar den Richtigen gefunden hatten. Lady Crawford hat mich und deinen Vater freundlicherweise zu einem Wochenende nach Wharton Park eingeladen. Ich habe Ende August vorgeschlagen. Bis dahin gibt es vielleicht gute Nachrichten. Im Moment ist die Welt so unsicher, Olivia«, seufzte ihre Mutter. »Genieße das Leben, solange es geht.«
Als Olivia sich später schlafen legte, war sie bestürzt über die Direktheit ihrer Mutter. Vielleicht brachte der bevorstehende Krieg die Menschen dazu, offen über ihre
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