Orchideenhaus
Gefühle zu sprechen.
Am folgenden Morgen wachte Olivia um sechs Uhr auf; sie zog sich an, packte und war um acht fertig. Fredericks, der Chauffeur der Crawfords, traf um Punkt neun ein.
Olivias Mutter verabschiedete sich an der Tür von ihr. »Schreib und halt mich auf dem Laufenden.« Sie küsste ihre Tochter auf beide Wangen. »Und viel Vergnügen.«
»Ja, Mutter.« Olivia umarmte sie. »Dir und Daddy auch eine gute Zeit.«
Adrienne begrüßte Olivia auf der Schwelle zu Wharton Park. » Ma chérie , Sie sind sicher müde! Kommen Sie herein. Sable kümmert sich ums Gepäck und zeigt Ihnen Ihr Zimmer. Es ist das gleiche wie beim letzten Mal. Ruhen Sie sich vor dem Essen ein wenig aus. Wir haben keine Eile. Christopher hält sich in London auf, und Harry wird erst um zehn kommen, vielleicht auch später.«
Als Sable sie in ihr Zimmer führte, wunderte sich Olivia, dass sie es einmal kalt und hässlich gefunden hatte, denn jetzt fielen die Strahlen der spätnachmittäglichen Sonne einladend auf die hübsche Blümchentapete. Olivia legte sich mit dem Gefühl ins Bett, den Raum zu mögen, und schlief nach der anstrengenden Reise sofort ein.
Ein Klopfen an der Tür weckte sie. Elsie, die Zofe, streckte den Kopf herein.
»Hallo, Miss Olivia. Wie schön, dass Sie wieder da sind! Ich werde mich während Ihres Aufenthalts hier um Sie kümmern. Lady Crawford hat mich gebeten, Sie zu wecken, weil es nach sieben ist. Wenn Sie jetzt nicht aufstehen, tun Sie heute Nacht kein Auge zu. Darf ich reinkommen?«
»Natürlich.« Olivia lächelte, glücklich darüber, Elsies vertrautes fröhliches Gesicht zu sehen. »Ich habe gar nicht gemerkt, wie spät es ist.«
»Das Bad ist schon eingelassen, Miss Olivia. Während Sie in der Wanne liegen, packe ich Ihre Sachen für Sie aus.Wir essen um acht zu Abend. Lady Crawford lässt ausrichten, es ist leger. Darf ich Ihnen etwas Hübsches zum Anziehen aussuchen?«
»Ja, gern. Danke, Elsie.« Olivia schlug das Oberbett zurück und schwang die Beine über die Bettkante. »Sag, hast du mit Bill den Hochzeitstag schon festgelegt?«
»Ja. In etwas mehr als vier Wochen werde ich Mrs. William Stadtfahrt«, antwortete Elsie stolz. »Vielleicht sind Sie dann noch da, Miss Olivia. Wenn ja, würde ich mich freuen, Sie bei der Zeremonie in der Kirche begrüßen zu dürfen. Lady Crawford hat mir freundlicherweise einen Ballen Spitze geschenkt, und daraus näht meine Tante mir ein Kleid. Ach, Miss, ich bin ja so aufgeregt!«
Elsies Freude war so ansteckend, dass Olivia fast ein wenig neidisch wurde.
Um fünf vor acht ging Olivia nach unten, wo Sable sie im Eingangsbereich erwartete.
»Lady Crawford ist draußen auf der Terrasse, Miss Drew-Norris. Darf ich vorangehen?«
Draußen sah Olivia, dass ein kleiner Tisch für zwei Personen gedeckt war. Große Kerzen, in Glasbehältern vor dem Wind geschützt, erhellten die Dämmerung.
»Olivia, nehmen Sie Platz.« Adrienne deutete auf den anderen Stuhl. »Ich hoffe, es ist Ihnen warm genug hier. Es liegt eine Decke für Sie bereit, falls Ihnen kalt wird. Ich esse draußen, wann immer es geht. In Frankreich waren wir zwischen Mai und September kaum jemals drinnen. Es gibt einen Rosé aus den Weinbergen unseres Château in der Provence. Davon lasse ich jedes Jahr zwölf Kisten schicken. Möchten Sie ein Glas kosten?«
Olivia setzte sich. »Gern. Danke.«
Adrienne gab Sable ein Zeichen, den Wein einzuschenken. »Wir essen in fünfzehn Minuten, Sable. Merci .«
»Sehr wohl, Lady Crawford.« Der Butler nickte und verschwand im Haus.
» Santé .« Adrienne hob das Glas, und sie nahmen beide einen Schluck.
Olivia genoss Wein und Essen. Weißwein war ihr für gewöhnlich zu säurehaltig und Rotwein zu schwer; der Rosé erschien ihr ideal.
»Gut, n’est-ce pas ?«, fragte Adrienne.
»Ja, sehr gut.«
»Meine Familie hat den Wein früher aus großen Krügen getrunken, frisch aus unserem Keller.« Adrienne seufzte. » Eh bien! Wieder etwas, das mir fehlt.«
»Aber Sie sind doch glücklich in England, oder?«, erkundigte sich Olivia.
»Ja, nur dieses Jahr stimmt mich ein wenig traurig. Den August verbringen wir normalerweise in unserem Familien-Château. Weil Christopher so viel in Whitehall zu tun hat und Harry die Rekruten ausbilden muss, hatte ich das Gefühl, ich könnte nicht ohne sie fahren. Christopher glaubt, dass der Krieg unmittelbar bevorsteht.«
»In London kann man die Vorbereitungen praktisch nicht mehr ignorieren. Am Tag
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