Orchideenhaus
glänzend unterhalten beim Essen, über die Dichter der Romantik. Archie schreibt selbst.«
»Gedichte?«, fragte Harry.
»Ja. Nur für mich selbst. Einem anderen möchte ich sie nicht zumuten. Ich fürchte, meine Werke sind ziemlich melancholisch. «
»Klingt, als könnten sie mir gefallen«, meinte Harry schmunzelnd. »Ich liebe die Gedichte von Rupert Brooke.«
Archie strahlte. »Was für ein Zufall! Ich auch. Ich habe die arme Olivia beim Dinner halb zu Tode gelangweilt mit ihm.« Archie schloss die Augen und begann zu zitieren:
»›Sanft, Tag, den ich liebe, schließ ich deine Lider,
Glätt deine stille Stirn und falte deine schmale tote Hand.
Graue Dämmerschleier werden dichter; Farbe stirbt.
Ich trag dich, leichte Last, hin zum umwölkten Strand … ‹«
Harry fuhr fort:
»›…Wo dein Boot wartet, von Meeresnebeln
Bekränzt und grauem Wassertang gekrönt.‹«
»Eines Tages möchte ich nach Skyros fahren, um sein Grab mit eigenen Augen zu sehen«, sagte Archie.
»Ich hatte das Glück, die Old Vicarage in Grantchester besichtigen zu können, wo Brooke seine Kindheit verbrachte«, erklärte Harry.
Olivia, die ihrem angeregten Gespräch lauschte, fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen. Zum Glück tauchte da Venetia auf. Olivia fiel gleich auf, dass sie beschwipst war.
»Hallo, Darling«, begrüßte Venetia sie und musterte Harry, der weiterhin in die Unterhaltung mit Archie vertieft war, mit interessiertem Blick. »Wer ist das?«
»Harry, von dem ich dir erzählt habe«, flüsterte Olivia.
Venetia nickte anerkennend. »Ein Träumer. Wenn du ihn nicht willst«, meinte sie kichernd, »nehme ich ihn. Harry«, fiel sie ihm ins Wort, »ich bin Venetia Burroughs, Olivias beste Freundin. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.« Sie küsste ihn auf beide Wangen.
Olivia wäre am liebsten im Erdboden versunken.
Harry wirkte ziemlich erstaunt über diese überschwängliche Begrüßung.» Venetia, freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Harry. Ich erwarte mir später einen Tanz mit Ihnen. Apropos Tanzen: Ich würde vorschlagen, dass wir alle reingehen; hier draußen wird’s allmählich kühl.«
»Gute Idee.« Harry schenkte Olivia ein Lächeln.»Ich wollte Sie um einen Tanz bitten. Machen Sie mir die Freude?« Er streckte Olivia den Arm hin, die sich errötend bei ihm unterhakte.
»Wir müssen uns ein andermal weiterunterhalten«, verabschiedete Harry sich von Archie.
»Gern.«
Dann betrat er mit Olivia den Ballsaal.
Beim Tanzen mit Harry musste Olivia an London denken und daran, wie oft sie sich gewünscht hatte, von ihm in den Armen gehalten zu werden. Und nun war sie an einem wunderschönen Sommerabend mit ihm in Wharton Park, ihrem Lieblingsort in England.
Später ging Harry mit ihr zum Luftschnappen nach draußen.
»Nun«, sagte er und zündete sich eine Zigarette an, »ich würde behaupten, dass der Abend bis jetzt ein uneingeschränkter Erfolg ist, nicht wahr?«
Olivia hob den Blick zum klaren Nachthimmel. »Ja, perfekt«, murmelte sie zufrieden.
»Mutter sieht glücklicher aus als seit Langem. Die Kapelle spielt gerade mein Lieblingsstück von Cole Porter – ›Begin the Beguine‹.« Harry begann leise vor sich hin zu summen. »Ein letzter Tanz, Miss Drew-Norris?«, fragte er und umfasste ihre Taille.
»Wenn Sie darauf bestehen, Hauptmann Crawford.«
Olivia legte den Kopf an Harrys Brust und gab sich ganz dem Augenblick hin.
»Olivia, es war wunderschön, heute Abend mit Ihnen zu tanzen. Danke«, sagte Harry und küsste sie auf die Lippen.
Als Adrienne, die auf die Terrasse getreten war, um den Nachthimmel zu betrachten, die beiden sah, lächelte sie vor Freude.
17
Während der Rückfahrt nach London am folgenden Tag gestand Olivia Venetia überglücklich, nun begreife sie, was es mit dieser sogenannten »Magie« der Liebe auf sich habe. Venetia
schnaubte nur verächtlich, als Olivia andeutete, Harry sei »der Richtige«.
»Darling, also wirklich! Woher willst du das wissen? Es war dein erster Kuss. Du bist vollkommen verrückt!«
Olivia schüttelte den Kopf. »Nein, bin ich nicht. Ich kenne meine Gefühle, und manchmal passiert es einfach so. Schau dir deine Eltern an, die waren achtzehn und neunzehn, als sie sich ineinander verliebt haben.«
» Touché . Aber das war damals, und wir leben heute. Außerdem sagst du doch immer, dass du dir mit dem Heiraten Zeit lassen willst. Du hast ja noch nicht mal den letzten Schritt gewagt«,
Weitere Kostenlose Bücher