Orchideenstaub
Opernbesuch in Wien eine Veränderung in Rafaels Verhalten ihr gegenüber bemerkt. Er war nicht mehr so gesprächig und nicht mehr so liebevoll. Er hatte sie geliebt, aber irgendwie war er nicht bei der Sache gewesen. Irgendetwas ging in ihm vor. Und es war nichts Gutes, das konnte sie deutlich spüren. Ein paar Mal hatte sie ihn dabei erwischt, wie er sie verstohlen von der Seite betrachtet hatte. Er musste von ihrer Spionage in seinem Blackberry etwas gemerkt haben.
Leila bekam eine Gänsehaut. Noch war sie sicher. Hier auf der Reise würde er ihr nichts tun. Anders würde sich die Sache in Medellin gestalten. Sie dachte wieder an seine anderen Frauen. Alles krampfte sich in ihr zusammen. Ihr wurde plötzlich schwindelig, dann wurde ihr schwarz vor Augen und sie hörte sich selbst wie einen Zementsack zu Boden fallen. Aufgeregte Stimmen drangen an ihr Ohr. Rafael, der jetzt in einer anderen Sprache sprach. Sie konnte ihn nicht verstehen, was redete er da bloß?
Die Schwärze löste sich schnell wieder auf und dann sah sie sein besorgtes Gesicht direkt über ihr. „Hey Schatz, geht’s wieder?“
Leila rappelte sich hoch. Es war ihr unangenehm, hier vor all diesen Leuten auf dem dreckigen Asphalt zu liegen.
„Komm wir fahren ins Hotel. Du musst dich ausruhen. Es hat sicherlich mit der Schwangerschaft zu tun.“
Oder er hat mir etwas ins Frühstück gemixt, dachte Leila.
Die kleine Menschentraube, die sich um sie herum gebildet hatte, löste sich langsam auf. Rafael bedankte sich bei ein paar Passanten auf Deutsch und führte sie zum nächsten Taxistand, der glücklicherweise nur ein paar Meter entfernt war. Er schob sie in das Wageninnere und nannte dem Fahrer den Namen des Hotels. Während der Fahrt sprach er kein Wort, sah aus dem Fenster und hielt nur ihre Hand. Sollte sie ihm einfach sagen, was sie herausgefunden hatte? Ihn beruhigen, dass sie trotz allem hinter ihm stand und ihn nicht verraten würde? Oder war es besser, einfach die Unschuldige zu mimen und so zu tun, als hätte sie die Nachrichten nicht gelesen.
Auf dem Hotelzimmer angekommen, rief er den Service an und bestellte etwas zu Essen für sie aufs Zimmer. „Die Reise ist viel zu anstrengend für dich. Ich hätte an deinen Zustand denken sollen“, sagte er vorwurfsvoll mehr zu sich selbst als zu ihr.
„Es geht schon wieder. Ich fühle mich wieder gut. Mach dir keine Sorgen.“
Er deckte sie zu und trat ans Fenster.
„Ich habe nur noch heute hier etwas zu erledigen, dann fahren wir nach Hause. Wir brechen die Reise ab.“
„Aber …“
„Kein Aber“, sagte er streng. Leila zuckte innerlich zusammen. In diesem Ton hatte er noch nie mit ihr gesprochen.
Rafael sah auf die Uhr, dann ging er ins Bad. Sie hörte, wie er die Badewanne einließ. Ja, vielleicht war es besser, nach Hause zu fahren. Sie würde die Ehe annullieren lassen und der Staatsanwaltschaft einen anonymen Hinweis geben. Vielleicht wäre es ratsam noch von hier eine E-Mail an Arturo Castillo von der Fiscalía zu schreiben, dem Mann, der schon seit Jahren hinter der Familie Rodriguez her war. Später, wenn er zu seinem Termin geht, dachte sie.
Das Bett war weich, ihr Kopf lag schwer auf den Kissen. Eine bleierne Müdigkeit übermannte sie. Die Wärme umschloss sie und trug sie fort ins Traumland.
Als Rafael aus dem Bad kam, stand das Essen, das er bestellt hatte, mitten im Zimmer auf einem Servicewagen und Leila schlief tief und fest. Er zog sich an, steckte mit einem Lächeln sein Blackberry ein und verließ leise das Hotelzimmer.
33.
Die Sonne kam immer mal wieder hinter den Wolken hervor, und wenn sie verschwand, legten sich dunkle Schatten über die Straßen und Häuser. Es war, als ob das Böse unaufhaltsam durch die Stadt Berlin kroch.
Man wartete auf ihn. Er hatte schon eine Weile die Lobby genau beobachtet. Sie versuchten sich mit allen Mitteln auf das, was da kommen würde, vorzubereiten und trotzdem konnten sie ihn nicht aufhalten. Sie waren doch gar nicht so dumm, wie er dachte. Woher wussten sie, dass sein nächstes Opfer in Berlin war?
Beamte in Zivil taten so, als wären sie Gäste. Einfach lächerlich. Da drüben saß ein Paar, das keines war. Er war ein guter Menschenkenner. Das hatte ihn das Leben gelehrt. Außerdem saß das Jackett der Frau schlecht und man konnte eine Ausbeulung erkennen, dort wo sie ihre Waffe trug. Hinter dem Tresen der Anmeldung stand ein Mann, der ebenfalls vorgab, zur Belegschaft zu gehören. Aber auch
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