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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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chauffieren oder aus der Disco abzuholen. Als er begriffen hatte, dass seine eigene Freizeit dadurch total eingeschränkt war, schmiss er ihr die Autoschlüssel vor die Füße und fuhr wieder mit dem Fahrrad.
    Als sie noch kleiner waren, wurde er an den Wochenenden mit seiner Schwester grundsätzlich zu seiner Tante oder den Großeltern abgeschoben, damit sie ihre Ruhe zu Hause hatte. Oft bekam er dafür einen Schein in die Hand gedrückt. Ansonsten musste er sich während seiner Schul- und Studienzeit sein Geld selbst verdienen, durch Regale auffüllen im Supermarkt, Zeitungen austragen, Maler- oder Putzarbeiten oder Babysitten.
    Sie hatte wohl so einiges in den Jahren von den Kerlen zusammengesammelt, dachte er und überflog noch einmal sein Erbe.
    „Ich kann Ihnen das Haus zeigen, wenn Sie wollen“, bot der Notar freundlich an.
    Doch Sam war nicht nach Gesellschaft. Er wollte allein sein. Er unterschrieb das Papier und nahm das befremdliche Gestell wieder von seiner Nase.
    „Wenn Sie das Haus verkaufen wollen … mein Bruder ist Immobilienmakler. Er kennt hier alles, was Rang und Namen hat. Wir sind Ihnen da gerne behilflich.“
    „Ich werde es mir erst einmal ansehen.“
    Sam ließ sich eine Beschreibung geben, wie er das Haus finden konnte, bedankte sich und nahm sich ein Taxi.
     
    Das Haus lag an einer kleinen Straße direkt am Meer. Eine Villa reihte sich an die nächste und eine war mondäner als die andere. Doch das Haus seiner Mutter war mit Abstand das schönste, wie er zugeben musste. Geschmack und Stil hatte sie immer gehabt, das musste er ihr lassen. Die Bezeichnung Haus oder Villa war allerdings nicht passend, denn es glich einem kleinen arabischen Palast mit seinen Türmchen und Zinnen. Auch der warme rot-braune Terrakottaton ließ das Haus zwischen den anderen weißen Villen hervorstechen.
    Sam vergewisserte sich, dass die Hausnummer auch die richtige war. Vielleicht hatte der Notar sich geirrt? Aber der Schlüssel passte. Er ging durch das Haus, öffnete die Terrassentür und atmete tief durch.
    Direkt vor ihm, nach einem kleinen Stück Garten, lag ein breiter weißer Sandstrand und dahinter glitzerte das Meer. War es nicht das, was er sich gewünscht hatte? Ein Haus am Meer? Allerdings war die Größenordnung eine andere gewesen. Er hatte an ein kleines, bescheidenes Häuschen gedacht und nicht an ein Sechszimmerhaus mit sechs Bädern, Marmorfußböden und so viel überflüssigem Schnickschnack, wie Schwanenwasserhähne.
    Über dem Kamin standen ein paar gerahmte Fotos. Er erkannte sich selbst und Lily darauf, als sie noch Kinder waren. Lily saß auf seinem Schoß, lachte in die Kamera und entblößte dabei zwei riesige Zahnlücken. Das waren noch glückliche Zeiten gewesen. Kurze Zeit darauf waren sie nach Deutschland gezogen.
    Sam sah sich noch einmal um und rief dann den Notar an.
    „Was ist das Haus ungefähr wert?“
    „Zwischen einer und zwei Millionen Euro, würde ich sagen.“
    Ungläubig sah Sam sich um. Stand er wirklich in einem Haus, das jetzt ihm gehörte, sein Eigentum war und fast zwei Millionen Euro Wert war?
    „Es ist ein Traum, oder nicht?“
    Es mochte für so manchen ein Traumhaus sein, aber seines war es nicht. Er hatte eine andere Vorstellung davon. Er wünschte sich eher eine luxuriöse Zweizimmerbambushütte mit exotischen Möbeln, einer Hängematte auf der Terrasse mit Blick aufs Meer und das Ganze musste mitten auf einem dschungelbewachsenen Berg stehen.
    „Ja, es ist sehr schön“, sagte er zögerlich. Er wollte nicht undankbar erscheinen. „Aber ich will es nicht behalten. Verkaufen Sie es und rufen Sie mich dann an.“
    Sam zog sich seine Schuhe aus und ging den Strand hinunter zum Meer. Das eiskalte Wasser umspülte seine nackten Füße und der Wind, der hier unten recht stark war, zerwühlte sein Haar und zerrte an seiner Jacke.
    Ich bin ein reicher Mann, ging es ihm durch den Kopf. Aber irgendwie interessierte ihn das nicht und glücklich machte es ihn in diesem Moment auch nicht. Sein Leben würde sich nicht ändern. Die Hände tief in seine Jackentasche vergraben, ließ er seinen Blick eine Weile über den Horizont und dann über den meilenweiten Strand schweifen. Abgesehen von ein paar Vögeln, die im Sand ihre Spuren hinterließen, war niemand zu sehen. Er war allein. Allein mit dem Wind und dem aufgewühlten Meer.
    Er setzte sich in den kalten Sand und holte den Brief aus der Innentasche, den Doris Thiel ihm mitgegeben hatte. Der Brief an ihre Mutter,

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