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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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verstand Rafaels Verzweiflung. War doch Aleida diejenige, die vielleicht etwas Licht in die Fälle hätte bringen können. Nur sie hatte von seiner neuen Frau Leila gewusst, sonst niemand. Jetzt war die einzige mögliche Zeugin oder Wissende tot.
    Diego Rodriguez sah seinen Sohn verständnislos an, als Rafael auf einen Stuhl sank und vor sich hinstarrte.
    „Was regst du dich so auf, Rafael. Sie war doch nur eine Angestellte. Würdest du mich bitte unserem Gast vorstellen.“
    Sam war sprachlos, aber auch Rafaels Blick und der seiner Mutter sprachen Bände. Sicherlich hatte es in dieser Familie auch andere, ,wichtigere’, Todesfälle gegeben, aber war Aleida nicht fast 40 Jahre die Hausangestellte gewesen? Gehörte ein Mensch nach so vielen Jahren nicht zur Familie? Oder waren und blieben es Menschen zweiter Klasse für die gehobene Schicht?
    „Dr. Michael Kreibich, Vater.“
    Die skelettartigen, kalten Finger schlossen sich unangenehm um Sams Hand und hielten sie länger fest als nötig. Diego Rodriguez‘ wässrige grau-blaue Augen musterten Sam mit kritischem Blick und Sam tat es ihm gleich. Diego Rodriguez sah seinem Alter entsprechend aus. Fast einhundert Jahre Mensch saßen dort im Rollstuhl. Das Gesicht faltig, eingefallen und schief. Die Haut am Kiefer hatte Taschen gebildet und hing runter wie bei einer Bulldogge. Ob dieser Mann Heinrich Thiel war, konnte Sam beim besten Willen nicht sagen. Aber eines wusste er: Falls dieser Mann Ähnlichkeiten zu seinem ehemaligen Kollegen Kreibich suchte, würde er sie nicht finden.
    Kreibich war schlaksig gewesen mit einer prägnanten Nase im Gesicht, kleinen Augen und einem schmalen Mund. Die Haarfarbe auf den alten schwarz-weiß Fotografien war kaum erkennbar gewesen, aber Kreibich hatte keine vollen Haare gehabt wie Sam. Auch sonst hatten sie so viel Ähnlichkeiten wie ein Gürteltier mit einer Fledermaus.
    „Kreibich?!“ Der Name kam wie ein Krächzen aus dem Mund des alten Mannes.
    „Wir haben uns auf einem Kongress in Berlin kennengelernt. Dr. Kreibich ist Urologe.“
    Der alte Mann nickte anerkennend. „Urologe.“
    Sam hatte sich bisher keine Gedanken darüber gemacht, was es bedeutete, in einem Ärztehaushalt einen Arzt zu spielen. Erst unter dem prüfenden Blick von Diego Rodriguez wurde ihm das bewusst und wohl fühlte er sich dabei gar nicht.
    „Warum hat mir niemand Bescheid gesagt?“ Rafael lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Aber nur für einen kurzen Augenblick, denn plötzlich stand Lea in der Tür. Ihre Augen waren einzig und allein auf den Fremden gerichtet. „Lea! Warum hast du mich nicht angerufen?“, sagte Rafael vorwurfsvoll. Er war aufgestanden und nahm seine Schwester zur Begrüßung in den Arm.
    Leas Blick war indessen immer noch auf Sam gerichtet. Dann löste sie sich aus dem Griff ihres Bruders und ging auf den Gast zu.
    „Das ist Dr. Michael Kreibich aus Deutschland.“
    Lea streckte Sam die Hand entgegen. „Freut mich, Sie hier bei uns begrüßen zu dürfen. Gibt es einen bestimmten Anlass, warum Sie meinen Bruder hierher begleitet haben?“
    „Er wird vielleicht Geld ins Heim investieren“, antwortete Rafael für Sam.
    „Kann Señor Kreibich auch selbst reden?“
    „Freut mich ebenfalls. Ja, Ihr Bruder hat mir so viel von Ihrem schönen Land erzählt, und da ich gerade Urlaub habe, habe ich mich spontan dazu entschlossen, es mir mal näher anzusehen, Señorita …“, erklärte Sam in einem fast perfekten Spanisch.
    „Lea. Ich heiße Lea. Sie sprechen unsere Sprache ziemlich gut, wenn ich das bemerken darf.“
    „Danke.“
    Lea begrüßte ihre Mutter mit einer Umarmung und ihren Vater mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange. Ihre Gestik war ziemlich eindeutig. Entweder hatte sie Angst vor dem alten Mann oder sie verachtete ihn aus irgendwelchen Gründen.
    „Möchten Sie noch etwas essen, bevor Sie zu Bett gehen, Señor Kreibich?“, fragte ihn die Herrin des Hauses.
    Alle Blicke waren auf Sam gerichtet, der dankend ablehnte. Er sehnte sich nach dem langen Flug nur nach einer Dusche und einem Bett, in dem er sich ausstrecken konnte. „Ich würde mich gerne zurückziehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.
    Draußen war die Luft mild, Grillen zirpten, irgendwo bellte ein Hund, ansonsten war nichts zu hören. Eine idyllische Ruhe. Neben den beiden Toyotas stand jetzt noch ein kleiner schwarzer BMW. Sam drehte sich noch einmal zu dem hell beleuchteten Haus um. Lea sah den beiden nach.
    „Sie ist eine wahre Schönheit.

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