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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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einen Firmenprospekt durch. Als er die Bürotür von Höveler hörte, legte er ihn zurück und schlenderte gelassen auf mich zu, dabei schlenkerte er wie immer seine gigantische Breitling-Uhr, die am rechten Handgelenk hing wie eine Handschelle.
    »Ah, Steckelbach. Da hast du dir ja ein Ding geleistet. Alle Achtung, gute Arbeit.« Sein breiter Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Man könnte fast meinen, du arbeitest mit den Gegnern des Flughafenausbaus zusammen.«
    Er beugte sich näher zu mir, und ich konnte sein Rasierwasser riechen, das mir immer leichte Übelkeit verursachte.
    »Schade, Steckelbach. Ich hatte nämlich echt gute Pläne für Bogert. Wegen dir geht mir sehr viel Kohle durch die Lappen. Sehr viel.« Er lachte bitter, drehte sich um, und ließ mich verstört stehen.
    Mist. Auch wenn ich gegen ein bisschen Konkurrenz unter Kollegen nichts hatte, wollte ich aber niemanden zum Feind haben. Schon gar nicht Ilja. Ilja Jansen kümmerte sich für unsere Kunden um Immobilien, Beteiligungen und Grundstücksspekulationen. Als ich hier angefangen hatte, war er mir sympathisch gewesen. Zugegebenermaßen vor allem weil er mich ein bisschen an George Clooney erinnerte, aber viel jünger war. Nicht dass ich mich für andere Männer interessierte – ich hatte ja meinen Jens und war verlobt. Aber auch eine Verlobte ist nicht blind. Ilja war Mitte dreißig, hatte dunkelbraune Augen und schwarze Haare mit ein paar grauen Strähnen an den Schläfen und trug meistens schwarze Anzüge mit schwarzen Hemden. Bei meinem Jens sah diese Kombination sehr morbide aus und erinnerte an einen übereifrigen Leichenbestatter. Aber Ilja stand das – und er wusste das auch. Er war sehr freundlich auf mich zugegangen und hatte mich mit seiner selbstsicheren Ausstrahlung gleich für sich eingenommen. Doch als ich nicht auf seine Einladungen für den Feierabend einging, bekam seine nette Fassade die ersten Risse. Und als ich einige gute Deals an der Rohstoffbörse abschloss, die dem Chef sehr positiv aufgefallen waren, erkannte er auf einmal doch, dass ich nicht nur ein dekoratives Element war.
    Bei Höveler & Wulf gab es jedes Jahr einen Bonus für den Mitarbeiter, der für unsere Kunden die meisten Gewinne verbuchen konnte. Ilja hatte ihn in den vergangenen zwei Jahren bekommen. Aber natürlich hatte ich vor, diesen selbst einmal einzustreichen und Jens mit einer Reise auf die Malediven zu überraschen. Bisher lag ich auch ganz gut im Rennen – auf Platz drei.
    Ich ging in mein Büro, das ich mir mit Sören teilte, einem sehr talentierten Trader, der sich auf den Handel mit Devisen spezialisiert hatte. Da ich davon ausging, dass mein Fehlschlag mit Gunther Bogert schon die Runde gemacht hatte, erwartete ich auch von ihm eine blöde Bemerkung.
    »Hey, Sören«, sagte ich und blieb einen Moment stehen, um die Verbalattacke aufrecht hinnehmen zu können.
    Aber er hing nur wie immer wie hypnotisiert vor seinen vier Bildschirmen und stopfte mit der Linken Marshmallows in sich rein, während er mit der Rechten die Maus bediente. »Ah, Moni. Wie war die Mittagspause?«
    Die war eigentlich schon zweieinhalb Stunden vorbei, aber das sagte ich nicht. Ich war einfach erleichtert, dass er mich nicht fertigmachte, weil ich in der Mittagspause unsere Firma mal eben um ein Million-Dollar-Baby gebracht hatte.
    »Gut«, antwortete ich erleichtert. »Heute ist echt schönes Wetter.«
    »Nieselregen und fünf Grad würde ich nicht schön nennen«, murmelte Sören.
    »Hä? Es sind angenehme achtzehn Grad und Sonnenschein.«
    »In London?«
    »Nicht in London. Draußen!«
    »Ach so.« Sören wandte den Blick zu dem Smartphone, das stets neben ihm lag. Er blätterte ein bisschen, bis er auf die Seite mit der aktuellen Wetterlage stieß. »Echt. Stimmt. Cool!« Dann fixierte er wieder die blinkenden Charts auf seinen Monitoren.
    Ich wischte erst einmal Schreibtisch und Tastatur mit einem desinfizierenden Tuch ab, weil mich das beruhigte, und überlegte, was ich anstellen müsste, um das wieder geradezubiegen. Dass ich meinen Fehler wiedergutmachen würde, das war sonnenklar. Das war schon immer meine Devise gewesen: Fehler sind dazu da, um sie wieder auszubügeln. Ich müsste dringend ein paar gute Deals abschließen. Heute würde das aber wohl nichts mehr werden.
    Ich hatte die wichtigsten Termine verpasst, die neuesten Zahlen der US -Rohöllagerbestände, die Prognose zur brasilianischen Weizenernte und die Pressekonferenz der GrainCorp Ltd zu den

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