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Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Titel: Orphan 1 Der Engel von Inveraray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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nie Genevieves Nerven aufreibende Besessenheit in Bezug auf Reinlichkeit, gute Manieren und dergleichen begreifen. Abgesehen davon jedoch, gefiel es ihm bei dieser seltsamen Familie aus Dieben und Außenseitern. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich angenommen, so, wie er war.
    Und vor allem gab es Charlotte. Ein entsetzliches Gefühl hilflosen Zorns erfüllte in jedes Mal, wenn er sie linkisch durch das Zimmer humpeln sah oder beobachtete, wie sie ihr Bein hochlegte und versuchte, den Schmerz fortzumassieren, der sie ständig plagte. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, sie zu verlassen - nicht jetzt, jedenfalls.
    Charlotte brauchte ihn; er musste auf sie aufpassen.
    „Ich werde zwei Jahre lang bleiben, die Dauer meiner Strafe. Auf diese Weise bekommen Sie keine Schwierigkeiten mit dem Gefängnisdirektor, wenn ich von hier verschwinde." Er hatte nicht vergessen, wie besorgt die Kinder gewesen waren, als er ihnen eröffnet hatte, er wolle nach Glasgow gehen. „Solange Sie meinen, ich könne mich irgendwie nützlich machen." Er wollte klarstellen, dass er beabsichtigte, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
    Genevieves Erleichterung war so groß, dass sie die Arme um Jack schlang und ihn fest an ihr Herz drückte. Jack erstarrte, unsicher, was er nun tun sollte. Sie duftete frisch und sauber wie eine regennasse Blumenwiese, ganz anders als seine Mutter, die nach billigem Parfüm und alter Wolle gerochen hatte. Er schloss die Augen, schmiegte sich in Genevieves Umarmung und fühlte sich seltsam kindlich. Ihm kam es so vor, als wären die Jahre plötzlich dahingeschmolzen. Er fühlte sich wieder wie ein kleiner Junge, der sich an seine Mutter klammerte und sie weinend anflehte, ihn nicht zu verlassen. Doch Genevieve verließ ihn nicht. Ein zaghaftes Glücksgefühl durchflutete ihn, es war so neu und ungewohnt, dass er es kaum zu deuten wusste.
    Sie bat ihn, er möge sie nicht verlassen.
    Er hob die Arme und schlang sie ein wenig linkisch um Genevieve.
    „Danke, Genevieve", flüsterte er gerührt, „dass Sie mich aus dem Gefängnis geholt und hergebracht haben."
    Er ließ die Arme sinken und räusperte sich, mit einem Male verlegen ob seiner Empfindsamkeit. „Nacht", sagte er mit einem flüchtigen Blick in Haydons Richtung und schlenderte aus dem Salon.

    „Gute Nacht, Jack", entgegnete Genevieve, während sie lächelnd die Türen schloss.
    Haydon erhob sich vom Sofa und ging zum Kamin. Nun, da er mit Genevieve allein war, fühlte er sich mit einem Male unwohl. Er nahm den Schürhaken und stocherte in den aufgeschichteten Holzscheiten herum, die gleichmäßig brannten und keinerlei Aufmerksamkeit bedurften. Dann wählte er sorgfältig ein weiteres Scheit, warf es ins Feuer und beobachtete, wie die Flammen gierig an dem trockenen Holz leckten. Unschlüssig, was er als Nächstes tun sollte, stützte er sich mit einem Arm am Kaminsims ab und blickte in die Flammen. Er fühlte sich entsetzlich verloren.
    Ebenso jäh, wie er aus seinem gewohnten Leben gerissen worden war, hatte man es ihm nun zurückgegeben. Er war wieder der Marquess of Redmond, ein freier Mann mit einem unbescholtenen Namen, wenn man von seiner schändlichen Vergangenheit und dem jüngsten Skandal einmal absah. Dieser würde den Lästermäulern Stoff für die nächsten Jahre verschaffen, falls er nicht durch ein anderes unerhörtes Ereignis in den Schatten gestellt wurde. Sein Vermächtnis war genauso schändlich, wie sein Vater einst prophezeit hatte, obwohl der alte Schurke sich nie hätte träumen lassen, dass Haydon tatsächlich den Titel der Redmonds tragen würde, während er den Namen der Familie in den Schmutz zog.
    Haydon hatte sich nie um seinen Ruf oder die Ehrwürdigkeit seines Familienstammbaums geschert. Ebenso wenig hatte er damit gerechnet, eines Tages Gefühle für eine Frau mit einem so ausgeprägten Sinn für Moral wie Genevieve MacPhail zu entwickeln. Ihre Art von Moral beurteilte den Rest der Welt nicht nach den strengen Regeln der Religion und des Gesetzes, wie Leute vom Schlage eines Constable Drummond oder Governor Thomsons Frau es taten - nein, Genevieve lebte nach den Grundsätzen der Anteilnahme und der Selbstlosigkeit.
    Sie hatte etwas Strahlendes an sich, das sich schwer ergründen ließ und ihn an das silbrige Leuchten eines fernen Sterns erinnerte. Im jugendlichen Alter von achtzehn Jahren hatte sie beschlossen, den vor ihr liegenden Weg der Sicherheit und Bequemlichkeit zu verlassen und fortan auf

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