Orphan 1 Der Engel von Inveraray
müssen, um diese Dinge zu finden", überlegte Annabelle. „Doch wie sollen wir das anstellen?"
„Ich weiß, wie man Schlösser knackt", meldete sich Simon zu Wort. „Ich habe es einmal gemacht, um in ein Haus zu gelangen."
Jack zog beeindruckt von dem gerade Gehörten die Braue hoch. „Was hast du gestohlen?"
„Ich habe einen riesigen Ingwerkuchen gegessen, einen halben Dattelpudding mit klebrigem Sirup, vier Hefeküchlein mit Orangenmarmelade, einen Teller kalten Lammbraten mit Erbsen, eine Tüte Rosinen, eine Schüssel Butter, einen großen Klumpen Zucker, einen Krug Sahne und dazu einen Krug Ale getrunken."
„Ist dir nicht übel geworden?" fragte Jack erstaunt.
„Ich habe alles über die Hosen des Gefängniswärters gespuckt", berichtete Simon.
„Er konnte es kaum erwarten, dass Genevieve mich fortbrachte."
„Genevieve wird sehr böse werden, wenn sie erfährt, dass du wieder Dummheiten machst, Simon", mahnte Annabelle.
„Der Nachteil bei Hauseinbrüchen ist, dass man nie weiß, ob es wirklich etwas Wertvolles zu stehlen gibt", sagte Jack nachdenklich. „Ich muss irgendwo hingehen, wo mit Sicherheit etwas Kostbares zu finden ist."
„Warum stiehlst du nicht etwas aus Mr. Ingrams Antiquitätenladen?" schlug Annabelle vor. „Er hat eine Rüstung, die einst ein edler Ritter getragen hat.
Genevieve meint, sie könne sogar Sir Lancelot gehört haben. Er war einer der Ritter der Tafelrunde."
„Ich glaube nicht, dass ich eine Rüstung stehlen kann, ohne dass es jemand merkt", entgegnete Jack trocken. „Außerdem, wer will so etwas schon haben?"
„Mr. Ingram hat auch Schmuck", verkündete Charlotte.
Jack zog fragend die Braue hoch. „Aus Diamanten und Rubinen?"
„Er bewahrt ihn in einem besonderen Glasschrank im hinteren Teil des Ladens auf und wird fuchsteufelswild, wenn man die Nase an die Scheibe drückt."
„Genevieve betrachtet den Schmuck manchmal, während sie darauf wartet, dass Mr. Ingram sie bezahlt", ergänzte Jamie. „Sie sagt, der Großteil des Schmucks stamme von Familien, die früher auf Burgen in Frankreich gelebt hätten und davonlaufen mussten, damit man ihnen nicht den Kopf abschlägt."
Das klingt tatsächlich viel versprechend, dachte Jack. „Ist der Schrank verschlossen?"
„Ich glaube nicht", antwortete Grace. „Doch du musst auf die andere Seite der Verkaufstheke gehen, um ihn zu öffnen."
„Der Schrank ist voll mit schönen Dingen", ergänzte Annabelle. „Ich bin sicher, Mr.
Ingram würde es nicht bemerken, wenn du etwas herausnehmen würdest."
„Ich müsste mehrere Schmuckstücke entwenden", entschied Jack. „Um sicher zu sein, dass ich genug Geld dafür bekomme, um die Bank auszuzahlen."
„Wenn es nicht reicht, könnten wir einfach zurückgehen und noch etwas stehlen", schlug Simon vor.
„Nein, das könnten wir nicht." Bildeten sie sich tatsächlich ein, er würde sie mitnehmen? „Ich mache das allein."
Die Kinder blickten ihn bestürzt an.
„Aber wir wollen dir helfen", protestierte Jamie.
„Und wir werden dir nicht im Weg sein", beteuerte Simon inbrünstig.
„Ich kann nicht riskieren, dass einer von euch geschnappt wird", meinte Jack in kategorischem Tonfall. „Es ist besser, wenn ihr mir die Sache überlasst."
„Und was ist, wenn sie dich erwischen?" fragte Annabelle.
„Das werden sie nicht."
„Und wenn doch?"
Er zuckte die Schultern. „Ich bin älter als ihr alle. Ich kann auf mich aufpassen, wenn ich geschnappt werde. Ich bin all das hier nicht gewohnt." Er wies auf das behaglich eingerichtete Zimmer mit den dunkelgrünen Gardinen, welche die Kälte abhielten, und den reich gemusterten Teppich, der sich wie gebürstete Seide unter seinen nackten Füßen anfühlte. „Wohin man mich auch bringen mag, ich werde zurechtkommen."
Grace schüttelte den Kopf. „Du magst älter sein, doch du bist noch nicht so lange hier wie ich. Du musst zulassen, dass wenigstens ich dich begleite. Ich werde Schmiere stehen und dir ein Zeichen geben, wenn Mr. Ingram in deine Richtung sieht."
„Nun, ich bin seit drei Jahren hier, und das ist nur eins weniger als du, Grace", sagte Annabelle und reckte entschlossen das Kinn vor. „Da ich eine gute Schauspielerin bin, werde ich Mr. Ingram ablenken, dann ist es leichter, den Schmuck zu stehlen."
„Ich kann ihn besser ablenken als du", verkündete Simon. „Ich werde ein paar Sachen umschmeißen."
„Wir wollen Mr. Ingrams Laden nicht verwüsten, sondern etwas daraus stehlen", erklärte
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