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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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gemeint, ihr Glück sei zu Lasten der Familie Pollard gegangen, und sie seien zu gierig gewesen, als daß man ihnen erlauben konnte, weiterzuleben.
    Candy war damals vierzehn gewesen und hatte die Begründung seiner Mutter nicht verstehen können, sie jedoch auch niemals in Frage gestellt. Für ihn war sie der einzige Quell der Wahrheit, und es fiel ihm niemals ein, ungehorsam zu sein. Er hatte alle fünf Mitglieder dieser Familie in New York ermordet und dann Feuer gelegt. Das Haus war abgebrannt bis auf die Grundmauern -und die Leichen mit ihm.
    Dem Rachedurst seiner Mutter schloß sich ein voraussehbarer Zyklus an. Unmittelbar nachdem Candy jemanden für sie ermordet hatte, war sie glücklich und voller Pläne für die Zukunft. Gewöhnlich bereitete sie ihm alle seine Lieblingskuchen zu und sang melodisch, während sie in der Küche hantierte, oder begann mit der Arbeit an einer neuen Steppdecke oder einer schwierigen Stickerei. Doch im Lauf der nächsten vier Wochen nahm ihre Freude ab wie das Licht einer Glühlampe mit regelbarem Widerstand.
    Und fast auf den Tag genau einen Monat nach dem Tag des oder der Morde hatte sie das Interesse am Backen oder an Handarbeiten verloren und begann über andere Leute zu reden, die ihr unrecht getan hatten -und damit der ganzen Familie Pollard. Innerhalb von zwei bis vier Wochen danach hatte sie sich meist für ein neues Ziel entschieden, und Candy wurde losgeschickt, die Mission durchzuführen. So geschah es, daß er etwa sechs- bis siebenmal pro Jahr tötete.
    Diese Häufigkeit stellte Roselle zufrieden, doch je älter Candy wurde, desto weniger reichte ihm das aus. Er hatte nicht nur einen Durst nach Blut entwickelt, sondern sogar einen regelrechten Heißhunger, der ihn gelegentlich übermannte. Die Faszination des Jagens machte ihn ebenfalls trunken, und er gierte danach, wie ein Alkoholiker nach der Flasche verlangte.
    Es war nicht zuletzt die blinde Feindseligkeit der Welt gegen seine selige Mutter, die ihn motivierte, öfter zu töten. Manchmal sah es fast so aus, als sei buchstäblich jedermann gegen sie und schmiedete Ränke, um ihr körperlichen Schaden zuzufügen oder ihr das Geld wegzunehmen, das rechtmäßig ihr gehörte. Es mangelte ihr wahrlich nicht an Feinden.
    Er erinnerte sich an Tage, an denen die Angst schwer auf ihr lastete. Dann waren immer alle Vorhänge zugezogen, alle Rolläden geschlossen und die Türen verriegelt, manchmal sogar mit Stühlen und anderen Möbelstücken verrammelt, um den heftigen Ansturm von Feinden abzuwehren, die niemals erschienen, aber immerhin hätten kommen können.
    An diesen schlimmen Tagen war sie völlig verzagt und erzählte ihm, da draußen seien so viele Leute, daß nicht einmal er sie für immer vor ihnen schützen könne. Wenn er sie dann bat, ihn loszuschicken, verwehrte sie ihm das und sagte nur: »Es ist hoffnungslos.«
    Wenn ihm die erlaubten Morde nicht ausreichten, unternahm er -wie jetzt auch -Streifzüge durch die Täler und suchte sich kleine Tiere. Doch diese Blutfeste, so reichhaltig sie manchmal auch waren, konnten seinen Durst niemals so erschöpfend stillen wie die, bei denen es die Adern von Menschen waren, an denen er sich gütlich tat.
    Diese vielen Erinnerungen stimmten Candy nur traurig. Deshalb erhob er sich aus dem Schaukelstuhl und ging nervös im Zimmer auf und ab. Die Rolläden waren hochgezogen, und er blickte mit zunehmendem Interesse in die Nacht hinaus, die hinter dem Fenster lag.
    Nachdem es ihm nicht gelungen war, Frank und den Fremden zu erwischen, der mit ihm im Hof aufgetaucht war, nachdem die Auseinandersetzung mit Violet diese unerwartete Wendung genommen und ihn mit aufgestauter Wut zurückgelassen hatte, schwelte der Haß in ihm. Er war heiß darauf zu töten, doch es fehlte ihm ein Ziel. Da kein Feind der Familie in Sicht war, würde er entweder unschuldige Menschen oder die kleinen Kreaturen abschlachten müssen, die in den Tälern lebten. Das Problem war nur - einerseits fürchtete er, seine selige Mutter oben im Himmel zu enttäuschen, andererseits hatte er keinen Appetit auf das dünne Blut der scheuen, kleinen Tiere.
    Seine Enttäuschung und seine Begierde wuchsen von Minute zu Minute. Er wußte, daß er etwas tun würde, was er später bereute, etwas, daß dazu führen mußte, daß sich Roselle für längere Zeit von ihm abwenden würde.
    Dann, gerade ajs er kurz davor war zu explodieren, wurde er durch das Eindringen eines echten Feindes gerettet. Eine Hand berührte seinen

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