Ort des Grauens
Candy, ich kriege es einfach nicht aus dem Kopf. Dieser Donald Salfont -er lebt in einem großen Haus in Montecito - berechnet den Leuten zuviel, berechnet mir zuviel, dafür muß er bezahlen. Meinst du nicht auch, kleiner Candy? Meinst du nicht auch, daß er bezahlen muß?«
Er war damals fünf Jahre alt gewesen und nicht gerade groß für sein Alter, richtig gewachsen war er erst, als er neun oder zehn war. Selbst wenn es ihm möglich war, durch Teleporting ins Schlafzimmer von Salfont zu gelangen, warnicht sicher, ob der Überraschungseffekt den Erfolg der Mission garantieren würde.
Wenn beispielsweise Salfont oder seine Frau in dem Moment wach waren, in dem Candy auftauchte, oder wenn der erste Stich mit dem Messer den Anwalt nicht tötete, ihn stattdessen aufweckte und in Panik versetzte, wäre Candy wohl kaum in der Lage, ihn zu überwältigen. Er würde natürlich nicht in Gefahr schweben, geschnappt oder verletzt zu werden, denn er konnte sich dank Teleporting in Sekundenbruchteilen nach Hause absetzen.
Aber es bestand immer die Gefahr, daß man ihn erkannte. Die Polizisten würden einem Mann wie Salfont glauben, auch wenn er eine so phantastische Anschuldigung vorbrachte wie die, ein fünfjähriger Junge habe ihn ermorden wollen. Sie würden ins Haus der Pollards kommen, Fragen stellen, herumschnüffeln und Gott weiß was finden oder vermuten.
»Deshalb kannst du ihn nicht töten, obwohl er es verdient hätte«, hatte Roselle geflüstert, während sie ihr Lieblingskind auf ihrem Schoß wiegte. Als er von ihrer entblößten Brust aus zu ihr aufblickte, hatte sie ihm intensiv in die Augen geschaut. »Was du statt dessen tun mußt, ist, ihm etwas wegzunehmen als Vergeltung für das Geld, das er mir geraubt hat, etwas, das ihm etwas bedeutet. Im Salfont-Haus gibt es seit kurzem ein Baby. Ich habe es vor ein paar Monaten in der Zeitung gelesen, ein kleines Mädchen, das sie Rebekah Elizabeth genannt haben. Und ich frage dich, was für ein Name ist das für ein Mädchen? Hört sich reichlich hochtrabend an für mich, nach der Art von Namen, die ein eingebildeter Anwalt und seine Frau einem Baby geben, weil sie glauben, sie seien was Besseres als andere Leute. Elizabeth ist der Name einer Königin, weißt du, und um zu wissen, was Rebekah war, braucht man nur in der Bibel nachzuschlagen. Dann wirst du sehen, daß sie sich selbst und ihre kleine Göre einfach zu hoch einschätzen. Rebekah -sie ist jetzt fast ein halbes Jahr alt, und sie haben sie lange genug gehabt, um sie zu vermissen, wenn sie nicht mehr ist, werden sie sie sehr vermissen. Ich werde dich morgen an ihrem Haus vorbeifahren, mein liebster kleiner Candy-Boy, dich sehen lassen, wo es ist, und morgen nacht wirst du dort erscheinen und Gottes Heimsuchung über sie bringen, meine Rache. Sie werden denken, eine Ratte sei ins Zimmer gelangt, oder irgendwas in der Art, und sie werden sich Vorwürfe machen, bis zu dem Tag, an dem sie selber tot sind.«
Die Kehle von Rebekah Salfont war ganz zart gewesen, ihr Blut salzig. Candy hatte dieses Abenteuer genossen. Es war faszinierend, das Haus von Fremden ohne deren Einwilligung und Wissen zu betreten. Das kleine Mädchen zu töten, während im danebenliegenden Schlafzimmer Erwachsene schliefen, erfüllte ihn mit einem Gefühl der Macht. Er selbst war nur ein kleiner Junge, hatte aber all ihre Sicherheitsvorkehrungen umgangen und seine Mutter damit gerächt, was ihn in gewisser Weise zum einzigen Mann im Hause Pollard erhob. Dieses berauschende Gefühl kam noch zu der Erregung hinzu, die der Mord in ihm ausgelöst hatte.
Danach konnte er den Bitten seiner Mutter, für sie Vergeltung zu üben, niemals widerstehen.
Während der ersten Jahre seiner Mission waren Säuglinge und sehr kleine Kinder seine einzigen Opfer. Um der Polizei keine Hinweise zu liefern, biß er sie manchmal nicht nur, sondern brachte sie auch auf andere Art um, und gelegentlich teleportierte er sie mit sich aus dem Haus, so daß ihre Leichen niemals gefunden wurden.
Trotzdem hätte man die Sache wohl kaum vertuschen können, wären Roselles Feinde alle nur aus Santa Barbara oder seiner unmittelbaren Umgebung gewesen. Doch sie verlangte häufig, daß auch an Leuten Vergeltung geübt wurde, die weit weg wohnten, an Leuten, von denen sie in der Zeitung oder einer Zeitschrift gelesen hatte.
Er erinnerte sich da besonders an eine Familie im Staat New York, die Millionen von Dollar in der Lotterie gewonnen hatte. Seine Mutter hatte
Weitere Kostenlose Bücher