Oryx und Crake
ist, muss es seinem Ursprungsort zurückgegeben werden. Das Bildnis von Schneemensch hat seinen Dienst getan: Jetzt, da der richtige Schneemensch wieder unter ihnen weilt, gibt es keinen Grund mehr für den anderen, weniger befriedigenden. Schneemensch findet es merkwürdig mit anzusehen, wie sein ehemaliger Bart, sein ehemaliger Kopf Stück für Stück von Kinderhänden davongetragen wird. Es kommt ihm vor, als wäre er selbst auseinander gerissen und verstreut worden.
Predigt
»Ein paar andere so wie du sind hierher gekommen«, sagt Abraham Lincoln, nachdem Schneemensch sich alle Mühe mit dem Fisch gegeben hat. Er sitzt zurückgelehnt an einem Baumstamm; sein Fuß kribbelt jetzt sanft, so als ob er eingeschlafen wäre; er fühlt sich benommen.
Schneemensch fährt hoch: »Andere wie ich?«
»Mit anderen Häuten, wie du«, sagt Napoleon. »Und einer von ihnen hatte Federn im Gesicht wie du.«
»Ein anderer hatte auch Federn, aber keine langen Federn.«
»Wir dachten, Crake habe sie geschickt, so wie dich.«
»Eine war weiblich.«
»Oryx muss sie geschickt haben.«
»Sie hat blau gerochen.«
»Wegen der anderen Haut konnten wir das Blau nicht sehen.«
»Aber sie hat sehr blau gerochen. Die Männer begannen, sie anzusingen.«
»Wir haben ihr Blumen angeboten und mit unseren Penissen gewinkt, aber sie hat nicht mit Freude reagiert.«
»Die Männer mit den Extrahäuten sahen nicht glücklich aus. Sie sahen wütend aus.«
»Wir sind auf sie zugegangen, um sie zu begrüßen, aber sie sind weggelaufen.«
Schneemensch kann sich das vorstellen. Der Anblick dieser übernatürlich ruhigen, muskulösen Männer, die en masse vorrücken, ihre ungewöhnliche Musik singen, ihre blauen Penisse im Takt schwenken, mit ausgestreckten Händen wie Statisten in einem Zombiefilm, musste einfach alarmierend sein.
Sein Herz schlägt jetzt sehr schnell, vor Aufregung oder Angst oder einer Mischung von beidem. »Trugen sie irgendetwas bei sich?«
»Einer von ihnen hatte einen lauten Stock wie deinen.« Die Energiepistole ist nicht in Sicht: Sie müssen sich von damals an die Waffe erinnern, als sie aus Paradice auszogen. »Aber sie haben keinen Lärm damit gemacht.« Crakes Kinder nehmen die ganze Sache gelassen hin, sie verstehen die Implikationen nicht. Es ist, als ob sie sich über Kaninchen unterhielten.
»Wann waren sie hier?«
»Oh, am Vortag vielleicht.«
Es ist sinnlos zu versuchen, sie auf Ereignisse der Vergangenheit festzulegen: Sie zählen die Tage nicht. »Wo sind sie hingegangen?«
»Sie sind dahin gegangen, den Strand entlang. Warum sind sie vor uns weggelaufen, o Schneemensch?«
»Vielleicht haben sie Crake gehört«, sagt Sacajawea. »Vielleicht hat er sie gerufen. Sie hatten glänzende Dinger am Arm, wie du. Dinger, mit denen man Crake hören kann.«
»Ich werde sie fragen«, sagt Schneemensch. »Ich geh und rede mit ihnen. Ich werd das morgen tun. Jetzt geh ich schlafen.« Er zieht sich hoch, zuckt vor Schmerz zusammen. Er kann den Fuß immer noch nicht richtig belasten.
»Wir kommen mit«, sagen mehrere der Männer.
»Nein«, sagt Schneemensch. »Ich glaube nicht, dass das eine besonders gute Idee ist.«
»Aber du bist noch nicht gesund genug«, sagt die Kaiserin Josephine.
»Du brauchst noch mehr Schnurren.« Sie sieht besorgt aus: Eine kleine Falte ist zwischen ihren Augenbrauen aufgetaucht. Ungewohnt, einen solchen Ausdruck auf einem ihrer vollkommenen, faltenfreien Gesichter zu sehen.
Schneemensch gibt nach, und ein neues Schnurrteam – diesmal drei Männer, eine Frau, sie glauben offenbar, dass er starke Medizin braucht
– beugt sich über sein Bein. Er versucht, in sich eine antwortende Vibration zu spüren, und fragt sich – nicht zum ersten Mal –, ob diese Methode so zugeschnitten ist, dass sie nur bei ihnen selbst funktioniert.
Diejenigen, die nicht schnurren, beobachten den Vorgang genau; einige unterhalten sich mit gedämpften Stimmen, und nach einer halben Stunde wird das Team von einem frischen abgelöst.
Er kann sich dem Geräusch nicht so hingeben, wie er eigentlich sollte, denn er spielt die Zukunft durch, er kann nicht anders.
Sein Hirn arbeitet auf Hochtouren; hinter seinen halb geschlossenen Augen blitzen Möglichkeiten auf und prallen aufeinander. Vielleicht wird alles gut gehen, vielleicht ist diese Dreiergruppe von Fremden wohlwollend, vernünftig, voll guter Absichten; vielleicht wird es ihm gelingen, ihnen die Craker im richtigen Licht zu
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