Osiris Ritual
war.
Der Agent rutschte auf seinem Sitz nach vorn und beugte sich vor, um
die Tür der Karosse zu öffnen. Ihm kam jedoch ein Mann zuvor, der sie von auÃen
öffnete und hereinspähte. Er trug einen schwarzen Vollbart und hatte strahlende
türkisfarbene Augen. In seinem grauen Wollanzug und dem Bowler sah er sehr
elegant aus. Newbury begrüÃte ihn mit einem breiten Lächeln. »Inspektor Foulkes.
Welch ein Unglück, dass wir uns immer bei Anlässen wie diesem begegnen!«
Der Mann erwiderte Newburys Blick und nickte verdrossen. »So ist es,
Sir Maurice. Ein Unglück, das ist das richtige Wort. Meine Arbeit wäre so viel
einfacher, wenn die Menschen nur aufhören würden, einander umzubringen.« Sein Schnurrbart zuckte. Er wandte sich an Bainbridge. »Sir
Charles, wir haben drinnen noch nichts berührt. Wie soll es nun weitergehen?«
Bainbridge seufzte. »Am liebsten würde ich im warmen Büro sitzen und
Akten schaufeln. Aber ich glaube, wir sollten uns wohl an die Arbeit machen.
Wir sehen uns zuerst einmal im Haus um.« Er stand auf,
stützte sich schwer auf den Stock und murmelte halblaut: »Dieses verdammte
Wetter bringt mich noch um.«
Sie verlieÃen die Kutsche und traten in den frischen Londoner Morgen
hinaus. Die Pferde schwitzten stark und atmeten in der kalten Luft kleine
Dampfwolken aus. Newbury blickte zum Haus hinauf. Es schien ruhig zu sein,
irgendwie auch verändert. Es kam ihm kalt und finster vor, und drinnen wartete
nur der Gestank des Todes und der Verwesung auf ihn. Seine Stimmung verdüsterte
sich. Winthrop war natürlich ein Trottel gewesen â ein Trottel zudem, der sehr
viel Geld darauf verwendet hatte, seinen Hobbys nachzugehen â, doch was ihm
hier auch zugestoÃen war, er hatte es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht
verdient.
Newbury blickte zu Charles und Foulkes zurück und stieg die Treppe
zum groÃen Haupteingang hinauf. Dieses Mal war kein Butler da, der ihm den Weg
wies. Ein uniformierter Beamter stieà die Tür auf und lieà ihn eintreten.
Newbury bedankte sich mit einem Nicken und ging in den Vorraum. Anscheinend war
hier alles in Ordnung, es gab keine Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens.
Auch die Buntglasfenster, in denen sich wundervoll das Licht brach, waren
intakt. Er drehte am Knauf der inneren Tür und stieà sie auf, um die groÃe
Halle zu betreten.
Dort wurde jedoch sofort klar, dass sich etwas Schreckliches
ereignet hatte. Wo zuvor die hohen Vitrinen geschickt aufgestellt gewesen
waren, damit die Gäste sich frei zwischen ihnen bewegen konnten, knirschte nun
ein Meer aus Glas, eine Woge aus geborstenen Scheiben, zerbrochenen Rahmen und
alten Artefakten. Eine kleine Landschaft der Zerstörung. Einige Vitrinen
standen sogar noch, waren nur teilweise demoliert und erhoben sich wie die
letzten traurigen Türme über einer geschleiften Stadt.
Newbury hörte hinter sich Bainbridge durch die Tür treten. Der Stock
klickte laut auf den Bodenï¬iesen. Dann gab es eine Pause. »Guter Gott, was für
ein Durcheinander!«
»Hm.« Newbury rieb sich mit der Hand über
das Kinn und dachte nach. Er trat weiter in den Raum hinein. »Das hier ist kein
ungeschickter Raubüberfall, Charles. Ich bin ganz sicher, dass diese Zerstörung
systematisch angerichtet wurde. Wer das auch getan hat, er hat etwas Bestimmtes
gesucht und dieses Chaos geschaffen, um uns abzulenken.«
Er näherte sich einer Vitrine, seine FüÃe knirschten im Glas. »Schauen Sie sich
das hier an.« Er winkte Bainbridge zu sich, damit dieser
ein Objekt betrachten konnte, das sich noch an Ort und Stelle befand. Es war
eine Halskette auf einem kleinen schwarzen Ständer. »Altes Gold, eingearbeitete
Edelsteine ⦠Charles, dieses Stück ist unbezahlbar. Warum lässt man so etwas
hier? Jeder â selbst der gewöhnlichste Dieb â hätte sich diese Kostbarkeit auf
dem Weg zur Tür geschnappt.« Er betrachtete die
Trümmer. »Da ist noch mehr. Ein ganzes Vermögen liegt hier herum. Wer das auch
getan hat, er hat die wertvollsten Stücke liegen lassen und sich doch die Zeit
genommen, sämtliche Schaukästen zu zerstören. Was haben sie gesucht? Was wollen
sie vor unserem Blick verbergen?«
Bainbridge zuckte mit den Schultern. »Das müssen Sie mir erklären,
Newbury. Sie waren dabei. Sie haben die Schaukästen betrachtet, als sie noch
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