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Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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erzählen.«
    Veronica unterdrückte ein Schluchzen. Sie musste für Amelia stark
sein. Später, wenn sie wieder daheim war, konnte sie im Dunkeln immer noch
weinen.
    So setzte sie sich auf die Bettkante, nahm die Hand ihrer Schwester
und stellte überrascht fest, dass Amelia in den paar Sekunden, die verstrichen
waren, ohnmächtig geworden war. Seufzend strich sie ihr das lange dunkle Haar
aus der Stirn und sah mit einer unendlichen Trauer im Herzen zu, wie sie
atmete.
    Â»Amelia, ich muss jetzt gehen, ich habe noch etwas zu erledigen.
Aber ich verspreche dir, dass ich bald wieder herkomme.«
Veronica flüsterte ganz leise. Sie hatte mehr als eine Stunde am Bett ihrer
Schwester gesessen, die sich erst jetzt wieder regte.
    Verschlafen blickte Amelia zu ihr hoch. »Die vermissten Frauen?«
    Veronica sah sie neugierig an. »Ja. Aber woher weißt du das? Hast du
dich nun doch an den Inhalt deiner Visionen erinnert?«
    Amelia nickte fast unmerklich. »Ein wenig.« Gähnend drückte sie sich
auf einem Ellenbogen hoch und war auf einmal sehr ernst. »Veronica, ich habe
schreckliche Dinge gesehen, wie aus den schlimmsten Albträumen. Ein Mann ohne
Gesicht lauert im Dunkeln, ein schreckliches Kreischen war zu hören. Etwas
dreht sich, es dreht sich ständig um sich selbst, als wäre ich auf einem
Karussell gefangen und könnte nichts mehr richtig erkennen. Ich habe allerdings
keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.«
    Veronica ertrug es nicht, den Blick ihrer Schwester zu erwidern.
Also betrachtete sie ihre Hände, drehte sie hin und her und untersuchte die
Landkarte aus Fältchen und Äderchen auf der hellen Haut. »Vielleicht hat es ja
gar nichts zu bedeuten, Amelia. Vielleicht versucht dein Geist auch nur, wieder
gesund zu werden.«
    Amelia ballte verzweifelt die Fäuste und packte die Bettdecke.
Voller Zorn antwortete sie: »Nicht auch noch du, Veronica. Ich könnte es nicht
ertragen, wenn du die gleichen dummen Sprüche von dir gibst wie sie. Du weißt
es doch besser. Sag mir, dass du nicht wirklich so denkst.«
    Veronica legte ihrer Schwester beschwichtigend eine Hand auf den
Arm. »Das glaube ich nicht, Amelia. Keine Sekunde. Aber mir gefällt nicht, was
dein … dein Zustand mit dir macht.«
    Amelia nickte stumm. Ihr gefiel es ebenso wenig.
    Â»Ich muss jetzt wirklich gehen, Schwester. Ich komme so bald wie
möglich wieder her.«
    Amelia lächelte. »Das weiß ich doch.«
    Veronica legte Amelias Hand behutsam auf das Bett und stand auf. »Mach’s
gut, Amelia.«
    Ohne sich noch einmal zu dem schmalen Schatten umzudrehen, der auf
dem Bett lag, öffnete Veronica die Tür und trat auf den Flur hinaus. Dr. Mason
war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich war er zu einem anderen Patienten gerufen
worden, und vermutlich war es auch ganz gut so. Ihr war
nicht danach, dem Mann noch einmal zu begegnen. Nein, sie wollte sich jetzt auf
den Fall stürzen, und ihre Tränen konnten ihrer Schwester sowieso nicht helfen.
Irgendwo da draußen gab es aber vermisste Frauen, für die sie etwas tun konnte.
Darum musste sie sich jetzt kümmern, um ihrer selbst willen und für Amelia.
    Veronica zog den Mantel eng um sich und ging hinaus. Ob sie nun auf
Sir Maurice’ Unterstützung zählen konnte oder nicht, sie würde den Fall lösen.
In der Zwischenzeit wollte sie sich überlegen, wie sie ihrer leidenden
Schwester am besten helfen könnte.

9
    Die Polizeikarosse hielt mit einem Ruck an. Newbury
blickte aus dem Fenster.
    Der Albion Place war sehr belebt, doch dieses Gedränge war ganz
anders als jenes, das er vor gerade einmal zwei Abenden gesehen hatte. Heute
stolzierten keine vornehmen Lords und Ladys in die feinsten Sachen gekleidet
wie aufgeputzte Pfauen vor dem Haus umher, sondern ein kleines Heer
uniformierter Wachtmeister blickte ihnen mit grauen, müden und erwartungsvollen
Gesichtern entgegen.
    Davor hatte sich auf dem Pflaster eine ansehnliche Menge von Gaffern
versammelt, um einen Blick auf die abscheulichen Geheimnisse zu erhaschen, die
sich hinter den zugeklappten Fensterläden verbergen mochten. Die Bobbys taten
ihr Bestes, die widerspenstige Menge im Zaum zu halten und vom Tatort zu
vertreiben, wobei sie die drängenden Fragen nach Informationen ignorierten.
Newbury nahm an, dass sich in der Meute gut ein halbes Dutzend Reporter
befanden, und fragte sich, ob auch Purefoy darunter

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