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Osten, Westen

Osten, Westen

Titel: Osten, Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Laden , den Kaufmannsladen, betreten, um dort dies und das zu kaufen. Ich werde nicht verraten, woher das Geld kam, nur wurden bei Nacht Männer in der Nähe ihrer schäbigen Hütte gesehen, sogar der Kaufmann persönlich, wie man mir berichtete, aber ich selbst möchte mich nicht dazu äußern.

    Sie hatte ihre fünf Bälger bei sich und rief, als sie wieder hier war, völlig unbeteiligt: «He! Rikschaaa!» Richtig laut, wissen Sie, wie so ein wirklich ordinärer Typ. Wollte uns zeigen, dass sie es sich leisten kann, Rikscha zu fahren – als ob das irgendeinen interessiert hätte! Ihre Kinder mussten vermutlich hungern für dieses Fahrgeld, aber meiner Meinung nach war das für sie eine Investition, bestimmt hatte sie schon beschlossen, ihre Fänge in Ramanis Fleisch zu schlagen. Also kletterten sie alle in die Rikscha, und dann fuhren sie davon, obwohl diese fünf Kinder einschließlich der Witwe eine schwere Fuhre bedeuteten, weswegen Ramani auch heftig keuchte, während die Adern an seinen Beinen schwollen und ich dachte: Sieh dich nur vor, mein Sohn, sonst wirst du diese Last dein Leben lang zu schleppen haben!
    Von da an traf man Ramani und die Witwe des Diebes allerorten zusammen an, schamlos, öffentlich, und ich war froh, dass seine Mutter tot war, denn wenn sie dies noch erlebt hätte, wäre ihr vor Scham das Gesicht abgefallen.
     
    Zu jener Zeit kam Ramani zuweilen des Abends in unsere Straße, um sich mit ein paar Freunden zu treffen. Sie hielten sich für sehr weltläufig, weil sie ins Hinterzimmer von Iranis Erfrischungsstand gingen und dort schwarzgebrannten Alkohol tranken, nur dass natürlich jedermann davon wusste. Aber wer will schon was dagegen tun? Wenn junge Männer ihr Leben ruinieren, sollen sich doch ihre Verwandten darum kümmern.
    Es machte mich traurig, zu sehen, wie Ramani in diese schlechte Gesellschaft geriet. Ich hatte seine Eltern gekannt, als sie noch lebten. Doch als ich Ramani riet, er solle sich von diesen Heißspornen fernhalten, grinste er nur dämlich und sagte, ich müsse mich irren, niemand tue etwas Unrechtes.
    Lass ihn doch, dachte ich mir.

    Ich kannte diese Burschen, die seine Kumpels waren. Sie trugen alle die Armbinden der neuen Jugendbewegung. Es war die Zeit des erklärten Notstands, und diese Freunde waren keine friedliebenden Menschen. Es wurde viel davon gemunkelt, dass Leute zusammengeschlagen wurden, also blieb ich still unter meinem Baum sitzen. Ramani trug zwar keine Armbinde, aber er schloss sich ihnen an, weil sie Eindruck auf ihn machten, den armen Toren.
     
    Diese Armbindenknaben schmeichelten Ramani ständig. Du bist ein so hübscher Kerl, behaupteten sie, neben dir wirken Shashi Kapoor und Amitabh wie Aussätzige, du solltest nach Bombay gehen und dich dort für den Film entdecken lassen.
    Sie schmeichelten seinen Sehnsüchten, weil sie wussten, dass sie ihn beim Kartenspiel ausnehmen konnten und er sie dabei noch zu Drinks einladen würde, obwohl er wirklich nicht reicher war als sie. So setzten sie Ramani die Flausen von einer Filmkarriere in den Kopf, in dem sonst nichts war, was Platz gebraucht hätte, und das ist ein weiterer Grund, weshalb ich dieser Witwe die Schuld gebe, denn sie hatte mehr Jahre auf dem Buckel und hätte dementsprechend vernünftiger sein müssen. Im Handumdrehen hätte sie ihm all das austreiben können, aber nein, eines Tages hörte ich sie lauthals verkünden: «Ehrlich, du siehst genauso aus wie unser Herr Krishna, nur dass du nicht überall blau bist.» In aller Öffentlichkeit! Damit nur ja alle merkten, dass sie ein Liebespaar waren! Von da an war ich überzeugt, dass eine Katastrophe hereinbrechen würde.
     
    Als die Witwe des Diebes das nächste Mal in unsere Straße kam, um dem bania -Laden einen Besuch abzustatten, beschloss ich zu handeln. Nicht um meinetwillen, sondern wegen der
toten Eltern des Jungen ging ich das Risiko ein, gedemütigt zu werden, gedemütigt von einer ... Nein, ich werde sie nicht so nennen; sie ist inzwischen anderswo, und dort wird man wissen, was sie ist.
    «Diebswitwe!», rief ich laut.
    Sofort erstarrte sie und wandte den Kopf auf eine schmerzliche Art und Weise, als hätte ich sie mit einer Peitsche geschlagen.
    «Kommen Sie her und sprechen Sie mit mir!», befahl ich ihr.
    Das konnte sie mir nicht verweigern, weil ich eine nicht unbedeutende Persönlichkeit in unserer Stadt bin, und möglicherweise überlegte sie auch, dass die Leute, wenn sie uns miteinander sprechen sahen, endlich

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